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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Ich werde Ihre Zeit
nicht lange in Anspruch nehmen. Hätten Sie nicht wenigstens ein paar Minuten?«
    Robyn presste die Lippen zusammen und betrachtete Nell mit ihrem Mäuseblick.
    »Ich habe eine bessere Idee«, sagte sie mit einem entschlossenen Nicken. »Ich nehme Sie mit.«
     
     
     
    Dichter Nebel war mit der Flut hereingekommen und sorgte zusammen mit der Dämmerung dafür, dass alle Farben in der Stadt verblassten. Während sie durch die schmalen Straßen bergauf gingen, legte sich ein grauer Schleier über alles. Die veränderte Situation hatte Robyns Lebensgeister geweckt. Sie schritt so forsch aus, dass Nell, die selbst eigentlich gut zu Fuß war, Mühe hatte mitzuhalten. Obwohl Nell gern gewusst hätte, wohin sie so eilig gingen, brachte sie vor Anstrengung kein Wort heraus.
    Am oberen Ende der Straße angekommen, blieben sie vor einem kleinen, weißen Haus stehen. Ein Schild verkündete: Pilchard Cottage . Robyn klopfte an die Tür und wartete. Im Haus brannte kein Licht, und sie sah noch einmal auf ihre Uhr. »Immer noch nicht zu Hause. Dabei sagen wir ihm immer, er soll früher zurückkommen, wenn es Nebel gibt.«
    »Wer?«
    Robyn schaute Nell an, als hätte sie ganz vergessen, dass sie da war. »Gump, mein Großvater. Er geht jeden Tag an den Hafen, um die Schiffe zu beobachten. Er war früher selbst Fischer, wissen Sie. Seit zwanzig Jahren ist er jetzt schon Rentner, aber er ist nicht zufrieden, wenn er nicht weiß, wer rausgefahren ist und wo ein großer Fang gemacht wurde.« Ihr versagte beinahe die Stimme. »Wir reden immer auf ihn ein, er soll nach Hause gehen, wenn der Nebel steigt, aber er will einfach nicht hören …«
    Sie brach ab und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne.

    Nell folgte ihrem Blick und sah, wie der Nebel sich an einer Stelle verdunkelte. Dann tauchte eine Gestalt vor ihnen auf.
    »Gump!«, rief Robyn.
    »Reg dich nicht auf, Mädel«, ertönte eine Stimme aus dem Nebel. »Reg dich bloß nicht auf.« Der alte Mann kam näher, stieg die drei Stufen zu seinem Haus hoch und schloss die Tür auf. »Nun steht nicht da rum wie zwei begossene Pudel«, sagte er über seine Schulter hinweg. »Kommt rein, dann trinken wir einen schönen heißen Tee.«
    Im engen Flur half Robyn dem alten Mann aus seinem salzverkrusteten Regenmantel und aus seinen schwarzen Gummistiefeln, die sie auf einer niedrigen Holzbank abstellte. »Du bist ja ganz nass, Gump«, schalt sie, während sie an seinem Hemd fühlte. »Zieh dir erst mal was Trockenes an.«
    »Pah«, grummelte der Alte und tätschelte die Hand seiner Enkelin. »Ich setze mich einfach ans Feuer, und bis du mir den Tee servierst, bin ich schon wieder knochentrocken.«
    Robyn hob die Brauen und warf Nell einen Blick zu, als Gump ins Wohnzimmer ging, der besagte: Sehen Sie, womit ich mich herumplagen muss?
    »Gump ist fast neunzig, aber er weigert sich, aus seinem Haus auszuziehen«, flüsterte sie. »Wir Angehörigen kochen ihm abwechselnd sein Abendessen. Ich bin montags bis mittwochs dran.«
    »Für neunzig wirkt er aber noch ziemlich fit.«
    »Seine Augen lassen nach, und er hört nicht mehr so gut, aber er lässt es sich trotzdem nicht nehmen, sich jeden Abend persönlich zu vergewissern, dass ›seine Jungs‹ sicher in den Hafen zurückkehren. Gott steh mir bei, falls ihm mal was passiert, wenn ich gerade an der Reihe bin, auf ihn aufzupassen.« Sie lugte durch das Fenster in der Tür und zuckte zusammen, als ihr Großvater auf dem Weg zu seinem Sessel über den Teppich stolperte. »Es wäre wohl zu viel verlangt … Äh, ich meine, könnten Sie vielleicht
bei ihm bleiben, während ich das Feuer anzünde und den Wasserkessel aufsetze? Ich bin erst beruhigt, wenn er wieder trocken ist.«
    Bei der verlockenden Aussicht darauf, endlich etwas über ihre Familie zu erfahren, war Nell zu fast allem bereit. Sie nickte, Robyn atmete erleichtert auf und eilte ins Wohnzimmer zu ihrem Großvater.
    Gump hatte es sich in einem ledernen Sessel bequem gemacht und einen alten Quilt über die Knie gelegt. Nell musste an all die Quilts denken, die Lil für sie und ihre Schwestern angefertigt hatte. Sie fragte sich, was ihre Mutter wohl von ihren Nachforschungen halten würde, ob sie verstehen würde, warum es ihr so wichtig war, die ersten vier Jahre ihres Lebens zu rekonstruieren. Wahrscheinlich nicht. Lil war immer der Meinung gewesen, dass es die Pflicht eines jeden sei, das Beste aus der Situation zu machen, in die das Schicksal ihn

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