Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
geführt hatte. Es hat keinen Zweck, sich zu fragen, was hätte sein können, hatte sie immer gesagt, das Einzige, was zählt, ist das, was ist. Was natürlich für Lil, die wusste, woher sie stammte, leicht gesagt war.
Robyn richtete sich auf. Im offenen Kamin hinter ihr sprangen frische Flammen von Papierknäuel zu Papierknäuel. »Ich setze jetzt den Tee auf, Gump, und fange an zu kochen. Während ich in der Küche zu tun habe, wird meine Freundin …« Sie schaute Nell fragend an. »Verzeihen Sie …«
»Nell. Nell Andrews.«
»… wird Nell dir Gesellschaft leisten, Gump. Sie ist in Tregenna zu Besuch und interessiert sich für die hier ansässigen Familien. Vielleicht kannst du ihr ein bisschen von früher erzählen?«
Der alte Mann breitete die Hände aus, an denen Jahrzehnte des Tauziehens und des Einfädelns von Angelhaken ihre Spuren hinterlassen hatten. »Fragen Sie mich, was Sie wollen«, sagte er. »Ich sage Ihnen alles, was ich weiß.«
Nachdem Robyn durch eine niedrige Tür verschwunden war, sah Nell sich nach einer Sitzgelegenheit um. Sie setzte sich in einen grünen Ohrensessel am Kamin und genoss die Wärme des Feuers.
Gump blickte von der Pfeife auf, die er sich gerade stopfte und hob fragend die Brauen. Offensichtlich wartete er auf ihre Fragen.
Nell räusperte sich und scharrte mit den Füßen auf dem Teppich, während sie überlegte, wo sie anfangen sollte. Sie kam zu dem Schluss, dass es keinen Zweck hatte, um den heißen Brei herumzureden. »Ich interessiere mich für die Familie Mount rachet.«
Gumps Streichholz flammte auf, und er zog mehrmals an seiner Pfeife.
»Ich habe mich schon im Dorf erkundigt, aber niemand scheint etwas über sie zu wissen.«
»Ach, die Leute wissen natürlich alle etwas über die Mountrachets«, sagte er, während er seinen Rauch ausblies. »Sie wollen nur nicht über sie reden.«
Nell schaute ihn verwundert an. »Und warum nicht?«
»Die Leute in Tregenna erzählen sich gern Geschichten, aber die meisten hier sind auch ziemlich abergläubisch. Wir plaudern eigentlich gern über jedes erdenkliche Thema, aber sobald die Rede auf die Geschehnisse hier oben auf der Klippe kommt, verstummen alle schlagartig.«
»Ja, das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Nell. »Liegt das daran, dass die Mountrachets Adelige waren? Dass sie der Oberklasse angehörten?«
Gump schnaubte verächtlich. »Die hatten Geld, kein Zweifel, aber von Klasse keine Spur.« Er zog heftig an seiner Pfeife und beugte sich vor. »Den Titel haben sie sich mit dem Blut von Unschuldigen erkauft. Das war 1724. Eines Nachmittags ist ein fürchterlicher Sturm aufgekommen, der schlimmste seit Jahren.
Er hat das Dach vom Leuchtturm gerissen und die neue Öllampe ausgepustet wie eine Kerze. Es war Neumond, und die Nacht war kohlrabenschwarz.« Seine bleichen Lippen umschlossen den Pfeifenstiel. Er tat einen langen, kräftigen Zug, allmählich kam er in Fahrt. »Die meisten Fischkutter waren rechtzeitig in den Hafen zurückgekehrt, aber ein Schiff war noch draußen, ein Zweimaster mit Freibeutern an Bord.
Die Mannschaft des Kaperschiffs hatte keine Chance. Es heißt, die Wellenkämme hätten die halbe Höhe der Sharpstone-Klippe erreicht. Der Kahn wurde hin und her geworfen wie ein Spielzeug und gegen die Felsen geschleudert, sodass er auseinanderbrach, noch ehe er die Bucht erreichte. Es hat Zeitungsberichte gegeben und eine von der Regierung angeordnete Untersuchung, aber von dem Schiff ist nicht viel mehr übrig geblieben als ein paar rote Planken vom Rumpf. Natürlich wurden sofort die ortsansässigen Freibeuter verdächtigt.«
»Freibeuter?«
»Schmuggler«, sagte Robyn, die gerade mit einem Tablett mit Tee hereinkam.
»Aber nicht die Schmuggler haben das Wrack geplündert«, sagte Gump. »Oh nein. Das war die Familie, das waren die Mountrachets.«
Nell nahm die Teetasse entgegen, die Robyn ihr reichte. »Die Mountrachets waren Schmuggler?«
Gump stieß ein trockenes Lachen aus und trank einen Schluck Tee. »Nein, nein, so ehrenhaft waren die nicht. Schmuggler erleichtern Schiffe, die in Seenot geraten, um ihre überbesteuerte Ware, das ist richtig, aber sie retten auch Seeleute in Not. Was damals in jener Nacht in der Bucht von Blackhurst passiert ist, war das Werk von Dieben. Von Dieben und Mördern. Die haben die gesamte Mannschaft umgebracht, die Ladung gestohlen und am nächsten Morgen, ehe irgendjemand etwas davon mitbekommen konnte, das Wrack mitsamt den Toten auf dem offenen
Weitere Kostenlose Bücher