Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Brautkleids zu heucheln, wurde Rose nicht müde, sie mit solchen Dingen zu quälen.
Eliza redete sich ein, dass sich das alles wieder geben würde, dass Rose einfach nur aufgeregt war: Sie hatte schon immer ein ausgesprochenes Faible für Mode und Putz besessen, und jetzt bot sich ihr die Gelegenheit, die Märchenprinzessin zu spielen. Wenn Eliza nur genug Geduld aufbrachte, würde es irgendwann zwischen ihnen wieder so werden, wie es einmal war.
Dann kam das neue Jahr und mit ihm der Frühling. Die Vögel kehrten zurück, Nathaniel traf aus New York ein, es wurde Hochzeit gefeiert, und ehe Eliza sich versah, winkte sie einer Kutsche zum Abschied, die das frischvermählte Paar nach London und auf ein Schiff nach Europa brachte.
Als sie an jenem Abend in dem stillen Haus im Bett lag, vermisste Eliza ihre Cousine schmerzlich. Eins wusste sie inzwischen mit Bestimmtheit: Rose würde nie wieder nachts zu ihr ins Zimmer kommen, und Eliza würde nie wieder Roses Zimmer aufsuchen. Sie würden nie wieder gemeinsam unter die Decke kriechen und kichern und einander Geschichten erzählen, während alle anderen im Haus schliefen. In einem abgelegenen Flügel des Herrenhauses wurde gerade ein Zimmer für das junge Paar hergerichtet. Eliza drehte sich auf die Seite. In der Dunkelheit wurde ihr ganz deutlich bewusst, wie unerträglich es sein würde, mit Rose unter einem Dach zu wohnen und nicht in ihrer Nähe sein zu dürfen.
Am nächsten Tag suchte Eliza ihre Tante auf. Sie saß im Wintergarten an ihrem kleinen Schreibtisch und erledigte ihre Korrespondenz. Obwohl Tante Adeline sie nicht zur Kenntnis nahm, ergriff Eliza das Wort. »Wäre es vielleicht möglich, mir ein paar von den Sachen auf dem Dachboden zu überlassen?«
»Welche Sachen?«, fragte Tante Adeline, ohne von ihrem Brief aufzublicken.
»Ich brauche nur einen Schreibtisch, einen Stuhl und ein Bett.«
»Ein Bett?« Adelines dunkle Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie Eliza schließlich von der Seite anschaute.
In der vergangenen Nacht war Eliza klar geworden, dass es besser war, selbst für Veränderung zu sorgen, anstatt Schäden reparieren zu wollen, die durch die Entscheidungen anderer entstanden waren. »Jetzt, wo Rose verheiratet ist, habe ich den Eindruck, dass meine Anwesenheit hier im Haus nicht mehr so wichtig ist. Deswegen würde ich gern ins Cliff Cottage ziehen.«
Eliza machte sich keine großen Hoffnungen. Tante Adeline bereitete es immer eine ganz besondere Genugtuung, anderen etwas zu verweigern. Sie sah zu, wie ihre Tante einen Brief mit ihrer sorgfältigen Unterschrift versah und ihrem Windhund mit spitzen Fingernägeln den Kopf kraulte. Dann verzog Adeline ihren Mund zu einem schmallippigen Lächeln, stand auf und läutete dem Butler.
Am ersten Abend in ihrem neuen Heim saß Eliza am Fenster im ersten Stock und betrachtete das Meer, das wie ein riesiger Tropfen Quecksilber im Mondlicht auf und ab wogte. Rose befand sich irgendwo jenseits dieses Ozeans. Zum zweiten Mal hatte ihre Cousine eine Seereise angetreten und Eliza zurückgelassen. Aber eines Tages würde sie selbst auch zu einer großen Reise aufbrechen. Die Zeitschrift zahlte ihr nicht viel für ihre Märchen, aber wenn sie fleißig schrieb und die Honorare ein Jahr lang zurücklegte, würde sie sich die Reise irgendwann leisten können. Dann war da natürlich noch die mit Edelsteinen besetzte Brosche ihrer Mutter. Eliza hatte die Brosche, die sie im Kamin der Swindells zurückgelassen hatte, nie vergessen. Eines Tages würde sie dorthin fahren und sie aus ihrem Versteck holen.
Sie dachte an die Anzeige, die sie eine Woche zuvor in der Zeitung
entdeckt hatte. Schiffspassagen nach Queensland , hatte dort gestanden. Kommen Sie und beginnen Sie ein neues Leben . Mary erzählte Eliza oft von den Abenteuern ihres Bruders in einer Stadt namens Maryborough. So wie Mary es beschrieb, musste Aust ralien ein großes, weites, von gleißender Sonne beschienenes Land sein, wo kaum jemand sich um die Regeln der Gesellschaft scherte und sich für alle, die einen Neuanfang machen wollten, die Gelegenheit dazu bot. Eliza hatte sich immer vorgestellt, dass sie und Rose eines Tage gemeinsam nach Australien reisen würden, sie hatten doch oft davon gesprochen. Oder nicht? Im Nachhinein wurde Eliza bewusst, dass Rose immer sehr schweigsam geworden war, wenn sie ihr ausgemalt hatte, was sie auf solchen Reiseabenteuern erleben würden.
Von nun an schlief Eliza nur noch in
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