Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
William. »Schon seit Generationen ein Familiengeheimnis.«
Nell hob entschuldigend die Schultern. »Meine Mutter hat Fischsuppe gekocht und meine Großmutter ebenfalls, und da gehörte immer Worcestershiresoße hinein. Wahrscheinlich war es auch unsere geheime Zutat.«
William atmete langsam und geräuschvoll ein, und Robyn biss sich auf die Lippe.
»Aber die Suppe schmeckt köstlich«, sagte Nell und nahm noch einen Löffel. »Der Trick besteht darin, genau die richtige Menge zu treffen.«
»Sagen Sie mal, Nell«, fragte Robyn und räusperte sich, bemüht,
Williams Blick auszuweichen. »Haben Sie in den Unterlagen, die ich Ihnen gegeben habe, irgendwas Brauchbares gefunden?«
Nell lächelte dankbar. Robyn hatte sie gerettet. »Sie waren sehr interessant. Vor allem der Zeitungsartikel über den Stapellauf der Lusitania hat mir gefallen.«
Robyn strahlte. »Es muss ja so aufregend gewesen sein, auf so einem wichtigen Dampfer mitzufahren. Sich vorzustellen, was mit dem prächtigen Schiff passiert ist, einfach schrecklich.«
»Die Deutschen«, knurrte Gump mit vollem Mund. »Das war ein Sakrileg, eine verdammte Barbarei.«
Nell konnte sich vorstellen, dass die Deutschen dasselbe über die Bombardierung von Dresden sagen würden, aber das war weder der richtige Ort noch der angemessene Zeitpunkt, um eine solche Diskussion vom Zaun zu brechen. Also biss sie sich auf die Zunge und unterhielt sich höflich mit Robyn über die Geschichte des Dorfs und des Herrensitzes, bis Robyn sich entschuldigte, den Tisch abräumte und in die Küche ging, um das Dessert zu holen.
Nell sagte sich, dass dies ihre letzte Chance sein würde, mit William allein zu reden, und nachdem Robyn außer Hörweite war, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf. »William«, sagte sie. »Ich muss Sie noch etwas fragen.«
»Schießen Sie los.«
»Sie haben Eliza doch gekannt …«
Er zog an seiner Pfeife, nickte kurz.
»Haben Sie irgendeine Erklärung dafür, warum sie mich entführt hat? Hat sie sich selbst ein Kind gewünscht? Was meinen Sie?«
William blies eine Rauchwolke aus, dann klemmte er sich die Pfeife zwischen die Backenzähne. »Kann ich mir nicht vorstellen. Sie war ein Freigeist. Nicht der Typ Frau, der von häuslichem
Glück mit Mann und Kind träumt, ganz zu schweigen davon, eines zu stehlen.«
»Wurde im Dorf darüber geredet? Hatte irgendjemand eine Theorie?«
Er zuckte die Achseln. »Wir haben alle geglaubt, das Kind - äh, Sie - wären an Scharlach gestorben. Das hat überhaupt niemand jemals infrage gestellt.« Er zog an seiner Pfeife. »Und was Elizas Verschwinden angeht, dabei hat sich auch niemand groß was gedacht. Es war schließlich nicht das erste Mal.«
»Nicht?«
»Sie war ein paar Jahre zuvor schon mal abgehauen.« Er schüttelte den Kopf, schaute kurz zur Küche hinüber und flüsterte, ohne Nell anzusehen: »Hab mir immer ein bisschen die Schuld daran gegeben. Es war kurz nach - kurz nach dem, was ich Ihnen eben erzählt habe. Ich habe sie zur Rede gestellt, ihr gesagt, was ich gesehen hatte, sie beschimpft. Sie hat mich schwören lassen, niemandem davon zu erzählen, hat mir gesagt, ich würde das nicht verstehen, es wäre nicht so, wie es ausgesehen hätte.« Er lachte verbittert. »Das Übliche, was Frauen halt behaupten, wenn man sie in flagranti erwischt.«
Nell nickte.
»Aber ich habe mein Versprechen gehalten und das Geheimnis gewahrt. Kurz darauf hab ich dann im Dorf gehört, dass sie fortgegangen war.«
»Wohin denn?«
Er hob die Schultern. »Als sie schließlich zurückkam - ungefähr ein Jahr später -, hab ich sie immer wieder danach gefragt, aber sie wollte es mir nicht sagen.«
»Es gibt gleich Nachtisch!«, rief Robyn aus der Küche.
William beugte sich vor, nahm die Pfeife aus dem Mund und zeigte damit auf Nell. »Deswegen habe ich Robyn gebeten, Sie heute Abend hierher einzuladen, das wollte ich Ihnen sagen: Finden Sie raus, wo Eliza war, ich schätze, dann werden Sie der Lösung
des Rätsels ein ganzes Stück näher kommen. Denn eins kann ich Ihnen versichern: Wo auch immer sie gewesen ist, als sie zurückkam, war sie ein anderer Mensch.«
»Inwiefern?«
Er schüttelte den Kopf. »Einfach anders, nicht mehr sie selbst.« Er atmete aus, die Pfeife zwischen den Zähnen. »Irgendwas an ihr war verloren gegangen, und sie ist nie wieder dieselbe gewesen wie zuvor.«
Teil drei
37 Blackhurst Manor Cornwall, 1907
An dem Morgen, an dem Rose von ihrer New-York-Reise zurückerwartet
Weitere Kostenlose Bücher