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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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sie überrascht, ihre Cousine zu sehen, die sie noch auf Hochzeitsreise wähnte.
    Adeline fuhr herum, entschlossen, ihre Tochter vor Ungemach zu bewahren.
    Doch Rose und Nathaniel waren so sehr miteinander beschäftigt, dass sie den Eindringling noch gar nicht bemerkt hatten. Nathaniel war auf seinem Stuhl nach vorn gerückt, sodass seine Knie beinahe die von Rose berührten (oder konnte es sein, dass sie es tatsächlich taten?). Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er eine Erdbeere am Stängel und drehte sie vor Roses Lippen hin und her, zog sie wieder zurück, um sie ihr gleich wieder vor den Mund zu halten. Jedes Mal lachte Rose laut auf und warf den Kopf in den Nacken, wodurch das Sonnenlicht auf ihren nackten Hals fiel.
    Adeline brach der Schweiß aus. Sie hielt sich den Fächer vors Gesicht, um ihr Entsetzen zu verbergen. Wie äußerst unschicklich! Was würden die Leute denken? Wahrscheinlich würde dieses Klatschweib Caroline Aspley das zu Papier bringen, sobald sie wieder zu Hause war.

    Es war ihre Pflicht, dieses ungehörige Verhalten zu unterbinden, und dennoch … Sie senkte den Fächer ein wenig. Sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich von dem Anblick nicht losreißen. Solche Verliebtheit! Das Bild zog sie völlig in seinen Bann. Obwohl sie wusste, dass Eliza hinter ihrem Rücken Chaos stiftete, und obwohl Roses Ehemann vor ihren Augen auf sträfliche Weise jeden Anstand vergaß, war es Adeline, als würde die Welt sich plötzlich langsamer drehen und sie allein stünde mit klopfendem Herzen in der Mitte. Ihre Haut kribbelte, ihre Beine schienen unter ihr nachzugeben, ihr Atem wurde flach. Der Gedanke war da, ehe sie ihn unterdrücken konnte: Wie musste es sich anfühlen, so sehr geliebt zu werden?
     
     
     
    Der Geruch nach Quecksilberdampf drang in seine Nase, und Linus atmete ihn tief ein. Hielt die Luft an, spürte das Dröhnen im Kopf, das Brennen in den Ohren, atmete aus. Allein in seiner Dunkelkammer war Linus der Mann, der er sein wollte: groß und mit zwei langen, gesunden Beinen. Mit seiner silbernen Pinzette schob er das Fotopapier in der Lösung hin und her und beobachtete, wie das Bild langsam Gestalt annahm.
    Sie würde sich nie darauf einlassen, für ein Foto zu posieren. Anfangs hatte er insistiert, dann sie angefleht, doch schließlich hatte er das Spiel begriffen. Sie genoss es, gejagt zu werden, und es war nun an Linus, sich eine andere Taktik auszudenken.
    Und das hatte er getan. Er hatte Mansell nach London geschickt, um ihm eine Eastman Kodak-Brownie zu besorgen, ein hässlicher, kleiner Apparat, den Amateure benutzten und dessen fotografische Möglichkeiten nicht an seine Camera obscura heranreichten. Aber der Apparat war leicht und tragbar, und allein darauf kam es an. Solange Eliza mit ihm Fangen spielte, war das seine einzige Möglichkeit, sie zu erwischen.
    Ihr Umzug ins Cottage war ein mutiger Schritt gewesen, für
den Linus sie bewunderte. Er hatte ihr den Garten überlassen in der Hoffnung, dass sie ihn genauso lieben würde, wie ihre Mutter ihn einst geliebt hatte - nichts hatte die Augen seines Püppchens so zum Leuchten bringen können wie dieser von Mauern umgebene Garten -, aber dass der Garten sie so vollkommen vereinnahmen würde, damit hatte Linus nicht gerechnet. Seit Wochen war Eliza nicht mehr in der Nähe des großen Hauses gesehen worden. Tag für Tag wartete Linus am Tor zum Labyrinth, doch sie quälte ihn unentwegt mit ihrer Abwesenheit.
    Und jetzt, als wäre alles nicht schon kompliziert genug, musste Linus feststellen, dass er einen Gegner hatte. Als er vor drei Tagen wie üblich am Tor gesessen und gewartet hatte, hatte sich ihm ein höchst unangenehmer Anblick geboten. Wer war anstelle seiner geliebten Eliza aus dem Labyrinth geschlendert? Dieser Maler, Roses junger Ehemann. Linus war schockiert. Was fiel dem Mann ein, durch dieses Tor zu gehen? Keck einen Weg zu beschreiten, den Linus sich selbst verbot? Tausend Fragen gingen Linus durch den Kopf. Hatte er sie getroffen? Mit ihr gesprochen? Ihr in die Augen gesehen? Unvorstellbar, dass dieser Maler seiner Prinzessin hinterherschnüffelte.
    Aber am Ende hatte Linus gewonnen. Heute hatte seine Geduld sich endlich ausgezahlt.
    Er atmete tief ein. Die Konturen des Bilds traten deutlicher hervor. Er beugte sich vor, um bei dem schummrigen Rotlicht besser sehen zu können. Dunkler Hintergrund - die Hecken des Labyrinths -, aber in der Mitte, wo sie vor seine Linse gestolpert war, eine hellere Stelle.

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