Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
überzeugt gewesen. Aus irgendeinem Grund war die Idee ein abstraktes Konzept in ihrem Kopf geblieben. Aber nachdem sie jetzt Nathaniels Zeichnungen gesehen hatte, konnte sie sich mit einem Mal ein solches Buch vorstellen, konnte beinahe schon sein Gewicht in ihren Händen spüren. Eine gebundene Ausgabe ihrer Lieblingsmärchen, ein Buch, das Kinder faszinieren würde. Genauso ein Buch wie jenes, das sie vor all den Jahren in Mrs Swindells Pfandleihhaus entdeckt hatte.
Zum Honorar hatte Mr Hobbins sich nicht geäußert, aber sicherlich konnte Eliza mit einem etwas höheren Betrag rechnen als bisher. Ein ganzes Buch war zweifellos viel mehr wert als eine einzelne Geschichte. Vielleicht würde Eliza endlich genug Geld für ihre ersehnte Reise übers Meer zusammenbekommen …
Ein lautes Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.
Nathaniel, schoss es ihr durch den Kopf, der kam, um sich seine Zeichnungen zurückzuholen, doch dann schob sie diesen irrationalen Gedanken wieder beiseite. Natürlich war er das nicht. Er kam nie zum Cottage, außerdem würde es noch Stunden dauern, ehe er merkte, dass seine Bilder verschwunden waren.
Trotzdem rollte Eliza die Blätter vorsichtshalber zusammen und verstaute sie in ihrer Jackentasche.
Sie öffnete die Tür. Vor ihr stand Mary mit tränenüberströmtem Gesicht.
»Bitte, Miss Eliza, helfen Sie mir.«
»Mary! Was ist passiert?« Eliza ließ die junge Frau eintreten und warf noch einen kurzen Blick nach draußen, ehe sie die Tür wieder schloss. »Bist du verletzt?«
»Nein, Miss Eliza«, schluchzte Mary. »Es ist was ganz anderes.«
»Erzähl mir, was los ist.«
»Es geht um Mrs Walker.«
»Rose?« Eliza schlug das Herz bis zum Hals.
»Sie hat mich entlassen«, sagte Mary mit bebender Stimme. »Sie hat mir gesagt, ich soll auf der Stelle meine Sachen packen.«
In die Erleichterung darüber, dass Rose nichts zugestoßen war, mischte sich Verwunderung. »Aber warum denn, Mary?«
Mary ließ sich auf einen Stuhl sinken und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen fort. »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, Miss Eliza.«
»Dann sag es mit ganz einfachen Worten, Mary, ich bitte dich, und erzähl mir, was in aller Welt passiert ist.«
Erneut brach Mary in Tränen aus. »Ich bin schwanger. Ich kriege ein Kind. Ich dachte, ich könnte es geheim halten, aber Mrs Walker hat es rausgefunden, und jetzt sagt sie, sie will mich nie wieder in ihrem Haus sehen.«
»Ach Mary.« Eliza setzte sich auf den Stuhl neben Mary und nahm ihre Hand. »Bist du dir ganz sicher, dass du ein Kind erwartest?«
»Ja, ganz sicher, Miss Eliza. Ich wollte es nicht, aber es ist einfach passiert.«
»Und wer ist der Vater?«
»Ein junger Mann aus der Nachbarschaft. Bitte, Miss Eliza, er ist kein schlechter Kerl, und er sagt, er will mich heiraten, aber zuerst muss ich ein bisschen Geld verdienen, sonst haben wir nichts, um eine Wohnung zu bezahlen und dem Kind was zu essen zu geben. Ich darf meine Stellung nicht verlieren, Miss Eliza, noch nicht, und ich kann immer noch gut arbeiten.«
Mary wirkte so verzweifelt, dass Eliza nicht anders konnte, als zu sagen: »Ich werde mal sehen, was ich tun kann.«
»Werden Sie mit Mrs Walker sprechen?«
Eliza füllte ein Glas mit Wasser und reichte es Mary. »Ich werde es zumindest versuchen. Aber du weißt ja selbst, dass es nicht leicht ist, zu einem Gespräch mit Rose vorgelassen zu werden.«
»Bitte, Miss Eliza, Sie sind meine einzige Hoffnung.«
Eliza nickte und lächelte mit einem Ausdruck von Zuversicht,
die sie in Wahrheit nicht empfand. »Ich werde ein paar Tage abwarten, bis Rose sich wieder beruhigt hat, dann spreche ich mit ihr. Ich bin mir sicher, dass ich sie zur Einsicht bringen kann.«
»Vielen Dank, Miss Eliza. Sie wissen, dass ich das nicht gewollt habe, ich habe mir alles selbst vermasselt. Ich wünschte, ich könnte es alles ungeschehen machen.«
»So etwas hat sich jeder irgendwann schon mal gewünscht«, sagte Eliza. »Und jetzt geh nach Hause und versuche, dir keine allzu großen Sorgen zu machen. Es wird alles gut werden, daran glaube ich ganz fest. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich mit Rose gesprochen habe.«
Adeline klopfte sachte an die Tür und öffnete sie dann. Rose saß in ihrem Sessel am Fenster und starrte nach draußen. Ihre Arme waren so dünn, ihr Gesicht so hager. Das ganze Zimmer schien vor lauter Mitgefühl in Apathie verfallen zu sein - die Kissen waren lustlos eingesunken, die
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