Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
nur in die Erde zu setzen brauchten, und er wusste genau, was er zu tun hatte.«
Eliza lächelte. »Er hat nur getan, wofür die Natur ihn geschaffen hat.«
Rose biss sich so heftig auf die Lippe, dass ein kleiner, dunkler Fleck zurückblieb. »Wenn ich hier sitze, fühle ich mich beinahe wieder, als wäre ich siebzehn, kurz vor meiner Reise nach New York, voller Aufregung und freudiger Erwartung.« Sie schaute Eliza an. »Es kommt mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her, dass wir beide allein hier gesessen haben, so wie früher, als wir noch halbe Kinder waren.«
Eine Welle der Wehmut ließ Eliza alle Eifersucht und Enttäuschung vergessen. Sie drückte Roses Hand. »Ja, das stimmt.«
Rose hustete, und ihr zerbrechlicher Körper krümmte sich bei der Anstrengung. Als Eliza ihr gerade anbieten wollte, ihr eine Stola zu holen, sagte Rose: »Hast du in letzter Zeit Neuigkeiten aus dem Haus erfahren?«
Verwundert über den abrupten Themenwechsel antwortete Eliza vorsichtig: »Ich habe mit Mary gesprochen.«
»Dann weißt du es also.« Ihre Blicke begegneten sich, und nach einer Weile schüttelte Rose traurig den Kopf. »Sie hat mir keine Wahl gelassen, Eliza. Ich weiß, dass ihr beide euch immer gemocht habt, aber in einem solchen Zustand konnten wir sie unmöglich auf Blackhurst Manor behalten. Das wirst du doch verstehen, oder?«
»Mary ist zuverlässig und loyal, Rose«, entgegnete Eliza sanft. »Sie hat sich unbesonnen verhalten, kein Zweifel, aber du könntest doch noch einmal einlenken, oder? Sie verdient jetzt kein Geld mehr, aber das Kind, das in ihrem Bauch wächst, wird sie
irgendwann ernähren müssen. Bitte, denk noch einmal darüber nach, Rose. Stell dir mal ihre Notlage vor.«
»Ich versichere dir, dass ich in den letzten Tagen an kaum etwas anderes gedacht habe.«
»Dann siehst du ja vielleicht ein …«
»Hast du je von etwas geträumt, Eliza, dich nach etwas so sehr gesehnt, dass du ohne es nicht mehr würdest leben können?«
Eliza dachte an die Seereise, von der sie träumte. Ihre Liebe zu Sammy. Ihre Zuneigung zu Rose. Aber sie schwieg.
»Es gibt nichts auf der Welt, was ich mir so sehr wünsche wie ein Kind. Mein Herz verzehrt sich ebenso danach, wie meine Arme es tun. Manchmal habe ich das Gefühl, als könnte ich das Gewicht des Kindes, nach dem ich mich sehne, in meinen Armen spüren, das warme Köpfchen, das sich an meinen Busen schmiegt, wenn ich es wiege.«
»Bestimmt wirst du eines Tages …« »Ja, ja. Eines Tages.« Roses schwaches Lächeln strafte ihre optimistischen Worte Lügen. »Aber ich kämpfe schon so lange darum. Seit dreizehn Monaten, Eliza, und ich erlebe nur Enttäuschung und Verzweiflung. Jetzt erklärt mir Doktor Matthews, dass ich zu schwach bin. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als Marys kleines Geheimnis herausgekommen ist. Dass sie durch ein Malheur mit dem beglückt wird, wonach ich mich vergeblich sehne. Dass sie, die nichts zu geben hat, bekommen soll, was mir, die ich bereit bin, alles zu geben, versagt bleibt. Du wirst doch begreifen, dass das ungerecht ist, oder? So etwas kann Gott doch nicht wollen!«
Roses Verzweiflung war so groß, und ihre geschwächte Erscheinung stand so im Widerspruch zu ihrem leidenschaftlichen Kinderwunsch, dass Marys Wohlergehen plötzlich für Eliza nur noch eine nebensächliche Rolle spielte. »Wie kann ich dir helfen, Rose? Sag mir, was kann ich für dich tun?«
»Es gibt tatsächlich etwas, das du für mich tun könntest, liebe
Cousine. Ich brauche deine Hilfe, um etwas zu tun, das letztlich auch das Beste für Mary sein wird.«
Endlich. Eliza hatte immer gewusst, dass es eines Tages so weit sein würde. Endlich hatte Rose begriffen, dass sie Eliza brauchte. Dass nur Eliza ihr helfen konnte. »Selbstverständlich, Rose«, sagte sie. »Ich tue alles für dich. Sag mir einfach, worum es sich handelt, und ich werde es tun.«
40 Tregenna Cornwall, 2005
Am späten Freitagabend schlug das Wetter um, und das ganze Wochenende über lag mürrischer Nebel über dem Dorf. Angesichts solcher Trübsal kam Cassandra zu dem Schluss, dass ihre müden Knochen ein bisschen Ruhe gebrauchen konnten, und gönnte sich eine wohlverdiente Pause. Den ganzen Samstag verbrachte sie mit heißem Tee und Nells Notizheften in ihrem Zimmer, fasziniert von Nells Bericht über den Detektiv, den sie in Truro aufgesucht hatte, ein Mann namens Ned Morrish. Den Namen hatte sie sich aus dem örtlichen Telefonbuch
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