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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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würde. Stellen Sie sich beispielsweise einen Windsack vor.«
    Adeline hob die Brauen und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum sie Dr. Matthews all die Jahre über die Treue gehalten hatte.
    »Wenn man einen Windsack jahrelang am Mast hängen lässt, ohne ihn ausruhen zu lassen oder ihn zu reparieren, werden die rauen Winde unweigerlich Löcher ins Gewebe reißen. Auch Ihre Tochter, Lady Mountrachet, braucht Zeit, um sich zu erholen. Man muss sie vor den rauen Winden schützen, die drohen, ihre Gesundheit gänzlich zu ruinieren.«
    Windsack hin oder her, Dr. Matthews’ Worte enthielten eine gewisse Logik. Rose war schwach und kränklich, und wenn man ihr keine Zeit gönnte, in der sie wieder zu Kräften kommen konnte, war nicht zu erwarten, dass sie jemals vollständig genas. Doch ihre heftige Sehnsucht nach einem Kind zehrte sie auf. Adeline hatte sich lange den Kopf darüber zerbrochen, wie sie ihre Tochter davon überzeugen konnte, dass ihrer eigenen Gesundheit Vorrang gebührte, und schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie Nathaniel in die Sache mit einbeziehen musste. So peinlich ihr ein solches Gespräch mit ihrem Schwiegersohn auch sein mochte, sie konnte sich darauf verlassen, dass er auf sie hörte. Im Verlauf der vergangenen zwölf Monate hatte Nathaniel gelernt, sich Adelines Wünschen zu fügen, und jetzt, wo die Aussicht bestand, den König porträtieren zu dürfen, bestand kaum ein Zweifel, dass er ihr beipflichten würde.
    Obwohl es Adeline gelang, sich äußerlich gelassen zu geben, kochte sie innerlich vor Wut. Warum sollte es anderen jungen
Frauen vergönnt sein, Kinder zu gebären, wenn Rose keines bekommen konnte? Warum war sie kränklich, während andere vor Gesundheit strotzten? Wie viele Qualen würde Roses schwacher Körper noch erleiden müssen? In ihren düstersten Momenten fragte sich Adeline, ob sie selbst womöglich an allem schuld war. Ob Gott sie womöglich bestrafte. War sie zu stolz gewesen, hatte sie zu häufig mit Roses Schönheit, ihren tadellosen Umgangsformen, ihrem Liebreiz geprahlt? Denn welche Strafe konnte schlimmer sein, als mit ansehen zu müssen, wie das geliebte Kind Qualen litt?
    Sich vorzustellen, dass Mary, dieses unverschämt gesunde Weibsbild mit ihrem breiten, strahlenden Gesicht und ihrem ungekämmten Haar, schwanger war! Noch dazu ungewollt schwanger, während anderen, die sich sehnlichst ein Baby wünschten, dieses Glück versagt blieb. Es war einfach ungerecht. Kein Wunder, dass Rose die Nerven verloren hatte: Sie war jetzt an der Reihe. Die frohe Botschaft, dass sie schwanger war, müsste Rose gelten, nicht Mary.
    Wenn es bloß eine Möglichkeit gäbe, Rose ein Kind zu schenken, ohne dass sie körperliche Strapazen durchmachen musste. Das war natürlich unmöglich. Wenn es eine solche Lösung gäbe, würden die Frauen Schlange stehen.
    Adeline hielt mitten im Haarebürsten inne. Schaute ihr Spiegelbild an, ohne etwas zu erkennen. Sie war mit ihren Gedanken woanders, sah eine achtlose junge Frau ohne mütterlichen Ins tinkt neben einer zarten jungen Dame, deren Körper sich ihrer Sehnsucht nach Mutterschaft verweigerte …
    Sie legte die Haarbürste zur Seite, verkrampfte die kalten Hände in ihrem Schoß.
    War es möglich, sich eine solche Widersprüchlichkeit zunutze zu machen?
    Es würde nicht einfach sein. Als Erstes müsste man Rose davon überzeugen, dass es das Beste für sie war. Dann würde man das
Mädchen zu der Einsicht bringen müssen, dass es ihre Pflicht war. Dass sie der Familie Mountrachet nach so vielen Jahren guten Willens diesen Dienst schuldig war.
    Schwierig, aber nicht unmöglich.
    Langsam erhob sich Adeline. Sie machte sich auf den Weg in Roses Zimmer, während ihr Plan in ihrem Kopf immer deutlicher Gestalt annahm.
     
     
     
    Das wichtigste Werkzeug zum Veredeln von Rosen war das Messer. Rasiermesserscharf müsse es sein, sagte Davies, so scharf, dass sie sich damit die Haare von den Armen rasieren könne. Eliza hatte ihn im Gewächshaus angetroffen, und er war sofort bereit gewesen, ihr dabei zu helfen, für ihren Garten eine Hybride zu züchten. Er hatte ihr gezeigt, wo sie den Schnitt ansetzen musste, wie man dafür sorgte, dass keine Splitter oder Knoten oder Verunstaltungen entstanden, die verhindern könnten, dass das Pfropfreis an dem neuen Stamm anwuchs. Sie war den ganzen Vormittag geblieben und hatte Davies dabei geholfen, die Pflanzen für den Frühling umzutopfen. Es war ein Genuss, die Hände in die warme

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