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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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musste, ihr irgendwie begreiflich machen musste, dass sie nie wieder zurückkommen durfte.
    Es war schon eine Weile her, seit er das letzte Mal durch das Labyrinth gegangen war, und er hatte ganz vergessen, wie düster
es zwischen den Dornenhecken war, für welch kurze Zeitspanne dem Sonnenlicht hier Zugang gewährt war. Er bewegte sich langsam, versuchte sich zu erinnern, an welchen Stellen er abbiegen musste. Kein Vergleich zu damals vor vier Jahren, als er, nachdem er das Fehlen seiner Zeichnungen bemerkt hatte, wutentbrannt durch das Labyrinth gerannt war. Außer Atem und mit pochenden Schläfen von der ungewohnten Anstrengung war er am Cottage eingetroffen und hatte die Blätter zurückverlangt. Sie gehörten ihm, hatte er erklärt, sie seien ihm wichtig, er brauche sie. Und als ihm keine Argumente mehr eingefallen waren, hatte er keuchend dagestanden und auf Elizas Reaktion gewartet. Er wusste selbst nicht, was er erwartet hatte - ein Geständnis, eine Entschuldigung, die widerstandslose Herausgabe der Zeichnungen oder vielleicht alles zusammen -, aber nichts davon war eingetreten. Stattdessen hatte Eliza ihn überrascht. Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte wie eine Kuriosität, hatte sie mit ihren blassen, ständig den Ausdruck verändernden Augen, die er so gern einmal gezeichnet hätte, mehrmals geblinzelt und ihn gefragt, ob er Lust hätte, ein Märchenbuch zu illustrieren.
    Ein Geräusch riss Nathaniel aus seinen Gedanken. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er drehte sich um und spähte in das Halbdunkel. Eine einzelne Schwalbe schaute daraus hervor und flog dann mit einem kleinen Zweig im Schnabel davon.
    Warum war er so schreckhaft? Er benahm sich, als hätte er ein schlechtes Gewissen, was lächerlich war, denn schließlich tat er nichts Unrechtes. Er wollte sich lediglich mit Eliza unterhalten, von ihr fordern, dass sie das Tor des Labyrinths als Grenze akzeptierte. Und er tat das alles nur für Rose, aus Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Frau.
    Er ging schneller und redete sich ein, dass er Gefahr witterte, wo es keine gab. Er mochte seinen Plan heimlich durchführen, aber er tat nichts Verbotenes. Das war immerhin ein gravierender Unterschied.

    Er hatte sich einverstanden erklärt, das Buch zu illustrieren. Wie hätte er der Versuchung widerstehen können und warum hätte er das auch tun sollen? Das Zeichnen war seine große Leidenschaft, und indem er Elizas Märchen illustrierte, konnte er in eine Welt eintauchen, in der gewisse Enttäuschungen in seinem Leben keine Rolle spielten. Die Arbeit an den Zeichnungen war wie ein geheimer Rettungsanker gewesen, der ihm die langen Tage der Porträtmalerei erträglich machte. Wenn Adeline ihn wieder einmal irgendeinem reichen, adeligen Langweiler vorstellte, und er genötigt war, zu lächeln und leutselig zu tun wie ein dressierter Hund, tröstete er sich mit dem Gedanken, dass er mit seinen Zeichnungen die zauberhafte Welt von Elizas Märchen zum Leben erweckte.
    Er hatte nie eine fertige Zeichnung in seinem Besitz gehabt. Als das Buch veröffentlicht wurde, war ihm klar geworden, dass das auf Blackhurst äußerst ungern gesehen worden wäre. Ganz am Anfang beging er den großen Fehler, Rose von dem Buchprojekt zu erzählen. Er hatte angenommen, sie würde sich freuen über die Freundschaft zwischen ihrem Mann und ihrer geliebten Cousine, aber da hatte er sich getäuscht. Nie würde er ihren Gesichtsausdruck vergessen, aus dem eine Mischung aus Schock, Wut und Angst gesprochen hatte. Er habe sie verraten, hatte sie gesagt, er liebe sie nicht, er wolle sie verlassen. Nathaniel hatte überhaupt nichts mehr verstanden und getan, was er in solchen Situationen immer tat, er hatte Rose seine Liebe versichert und ihr angeboten, noch ein Porträt von ihr zu malen, das sie ihrer Sammlung hinzufügen konnte. Von da an hatte er nicht mehr über das Projekt gesprochen. Aber er hatte es nicht aufgegeben, das hätte er nicht übers Herz gebracht.
    Nach Ivorys Geburt war Rose aufgeblüht, und sein Leben hatte sich wieder normalisiert. Seltsam, wie ein kleines Kind wieder Leben an einen toten Ort bringen konnte, wie es das Leichentuch zu entfernen vermochte, das sich über alles gelegt hatte - über
Rose, ihre Ehe, Nathaniels Seele. Natürlich war das nicht von heute auf morgen geschehen. Anfangs hatte er sich dem Kind gegenüber sehr zurückhaltend gegeben, sich von Roses Verhalten leiten lassen, immer von der Furcht bestimmt, dass die Herkunft

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