Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Mum. Sie hat Gärten so geliebt, vor allem diesen hier. Sie hat mir gezeigt, wie man da reinkommt. Wir wollten den Garten gemeinsam in Ordnung bringen, und dann ist sie krank geworden.«
Nell schaute ihm in die Augen. »Ich fliege in ein paar Tagen nach Australien, aber in einem oder zwei Monaten komme ich wieder hierher zurück. Könntest du vielleicht so lange für mich auf meinen Garten aufpassen, Christian?«
Er nickte feierlich. »Ja, das mach ich.«
»Dann weiß ich ja, dass er in guten Händen ist.«
Christian richtete sich auf. »Und wenn Sie zurückkommen, helfe ich Ihnen, den Garten in Ordnung zu bringen und wieder schön zu machen. So wie mein Dad es drüben beim Hotel macht.«
Nell lächelte. »Kann gut sein, dass ich dich beim Wort nehme. Ich nehme längst nicht von jedem Hilfe an, aber ich habe das Gefühl, dass du genau der richtige Mann für den Job sein könntest.«
42 Blackhurst Manor Cornwall, 1913
Rose zog ihre Stola fester um die Schultern und verschränkte die Arme gegen die Kälte, die ihr in die Glieder kroch. Als sie in den Garten gegangen war, um ein bisschen in der Sonne zu sitzen, hatte sie am wenigsten damit gerechnet, Eliza anzutreffen. Während sie in ihr Tagebuch schrieb und hin und wieder aufblickte, um nach Ivory zu sehen, die zwischen den Blumenbeeten herumtollte, hatte nichts darauf hingedeutet, dass der Frieden dieses schönen Tages auf so brutale Weise zerstört werden könnte. Irgendein sechster Sinn hatte sie zum Tor des Laby rinths hinübersehen lassen, und bei dem Anblick, der sich ihr dort bot, war ihr das Blut in den Adern gefroren. Wie hatte Eliza ahnen können, dass sie Rose und Ivory allein im Garten antreffen würde? Hatte sie sie beobachtet und auf den richtigen Moment gewartet? Aber warum gerade jetzt? Warum tauchte
sie nach drei Jahren ausgerechnet in diesem Augenblick auf? Wie ein Schreckgespenst aus einem Albtraum war sie über den Rasen gekommen mit dem vermaledeiten Päckchen in der Hand.
Rose schaute zur Seite. Da lag es, als wäre es völlig harmlos. Aber Rose wusste, dass es das nicht war. Sie brauchte das braune Papier nicht aufzureißen, um zu sehen, was in dem Päckchen lauerte, ein Gegenstand, der an einen Ort, eine Zeit, eine Freundschaft erinnerte, die Rose nur noch vergessen wollte.
Sie raffte ihre Röcke, glättete sie wieder, versuchte, so viel Raum wie möglich zwischen sich und dem Ding zu schaffen.
Ein Schwarm Spatzen flog auf, und Rose hob den Blick. Mama in einem dunklen Kleid, die aus dem Haus kam, McLennan, den alten Windhund, auf den Fersen. Vor Erleichterung wurde Rose beinahe schwindlig. Mama war ein Anker in der Gegenwart, der sie in einer sicheren Welt festhielt, wo alles so war, wie es sein sollte. Als Adeline sich näherte, verlor Rose die Beherrschung. »Ach, Mama«, rief sie aus. »Sie war hier! Eliza war hier!«
»Ich habe alles vom Fenster aus gesehen. Was hat sie gesagt? Hat die Kleine irgendetwas gehört, was nicht für ihre Ohren bestimmt war?«
Rose versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was geschehen war, aber vor lauter Sorge und Angst war ihre Erinnerung verschwommen, und sie wusste nicht mehr, welche Worte gefallen waren. Unglücklich schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Adeline betrachtete das Päckchen, dann nahm sie es so vorsichtig von der Bank, als könnte sie sich die Finger daran verbrennen.
»Mach es nicht auf, Mama, bitte. Ich kann den Anblick nicht ertragen«, flüsterte Rose kaum hörbar.
»Ist es …?«
»Ganz bestimmt.« Rose presste ihre kalten Finger an die Wangen. »Sie hat gesagt, es sei für Ivory.« Als Rose ihre Mutter anschaute,
wurde sie erneut von Panik erfasst. »Warum tut sie so etwas, Mama? Warum?«
Adelines Züge verhärteten sich.
»Was beabsichtigt sie damit?«
»Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du etwas Distanz zwischen dir und deiner Cousine schaffst.« Adeline setzte sich neben Rose auf die Bank und legte sich das Päckchen auf den Schoß.
»Distanz, Mama?« Roses Wangen wurden ganz kühl, und sie flüsterte ängstlich: »Du glaubst doch nicht, dass sie … dass sie noch einmal wiederkommt?«
»Sie hat heute bewiesen, dass sie sich nicht an die Vereinbarungen hält.«
»Aber Mama, du glaubst doch nicht etwa …«
»Ich bin nur um dein Wohlergehen besorgt.« Als Ivory auf sie zugelaufen kam, rückte Adeline so dicht an sie heran, dass Rose ihre Oberlippe am Ohr spürte. »Wir dürfen nie vergessen, mein Schatz«, flüsterte sie, »dass ein Geheimnis
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