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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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etwa gedacht, dein Papa würde ein Ungeheuer besuchen?«
    Während sie kurz nacheinander um mehrere Ecken bogen, fühlte Nathaniel sich an die Marmorkugel in der Kugelbahn in Ivorys Zimmer erinnert. Sie folgte dem Weg, ohne Kontrolle über ihr Schicksal zu haben. Ein alberner Vergleich, sagte er sich. Was er heute vorhatte, bewies doch, dass er ein Mann war, der sein Schicksal selbst in die Hand nahm.
    Schließlich standen sie vor dem Tor zu dem geheimen Garten. Nathaniel hockte sich vor seine Tochter und legte ihr die Hände
auf die kleinen Schultern. »So, Ivory«, sagte er vorsichtig, »ich habe dich heute mit bis ans andere Ende des Labyrinths genommen.«
    »Ja, Papa.«
    »Aber du darfst nie wieder ins Labyrinth gehen, erst recht nicht allein. Und ich glaube, es wäre das Beste, wenn … wenn das mit diesem Ausflug unter uns …«
    »Keine Sorge, Papa, ich erzähle Mama nichts davon.«
    In Nathaniels Magengrube mischte sich Erleichterung mit einem schlechten Gewissen, weil er sich mit seiner Tochter gegen seine Frau verbündete.
    »Und Großmama sag ich auch nichts, Papa.«
    Nathaniel nickte und rang sich ein Lächeln ab. »So ist es das Beste.«
    »Es ist ein Geheimnis.«
    »Ja, ein Geheimnis.«
    Nathaniel öffnete das Tor zum geheimen Garten und schob Ivory vor sich her. Er hatte damit gerechnet, dass Eliza wie die Feenkönigin auf der kleinen Rasenfläche unter dem Apfelbaum sitzen würde, aber der Garten war still und menschenleer. Nur eine Eidechse saß auf dem kleinen gepflasterten Platz in der Mitte und beobachtete argwöhnisch, wie Nathaniel und Ivory den gewundenen Pfad entlanggingen.
    »Ach, Papa«, sagte Ivory, während sie sich staunend umsah. Sie hob den Kopf und betrachtete die Ranken, die sich von einer Mauer kreuz und quer zur anderen hinüberwanden. »Das ist ja ein Zaubergarten.«
    Wie seltsam, dass ein kleines Kind so etwas wahrnahm. Nathaniel fragte sich, was es mit Elizas Garten auf sich hatte, dass jeder Besucher den Eindruck gewann, eine solche Pracht könne nicht auf natürliche Weise entstanden sein. Dass beim Zustandekommen eines solchen Gartens ein paar Geister die Hand im Spiel gehabt haben mussten.

    Er führte Ivory durch das Tor in der gegenüberliegenden Mauer und den Weg entlang, der sich um das Haus herumschlängelte. Trotz der frühen Stunde war es im Vorgarten dank der Mauer, die Adeline hatte bauen lassen, kühl und dunkel. Nathaniel legte eine Hand zwischen Ivorys Schulterblätter, ihre Feenflügel. »Hör mir gut zu«, sagte er. »Papa geht jetzt in das Haus, aber du musst hier draußen warten.«
    »Ja, Papa.«
    Er zögerte. »Und dass du mir nicht davonläufst.«
    »Oh nein, Papa«, antwortete sie so unschuldig, als würde sie nie im Leben auf so eine Idee kommen.
    Mit einem Nicken ging Nathaniel zur Tür. Er klopfte an und richtete sich die Manschetten, während er darauf wartete, dass Eliza öffnete.
    Dann ging die Tür auf, und sie stand vor ihm. Als hätte er sie erst gestern gesehen. Als wären nicht inzwischen vier Jahre vergangen.
     
     
     
    Nathaniel setzte sich auf einen Küchenstuhl, während Eliza ihm gegenüber stehen blieb, eine Hand an der Tischkante. Sie schaute ihn auf ihre typische Art an, ganz ohne das gesellschaftlich übliche Lächeln, mit dem man zu erkennen gab, dass man sich freute, jemanden zu sehen. War es Eitelkeit, die ihn hatte annehmen lassen, sie würde sich tatsächlich über seinen Besuch freuen? Das Rot ihres Haars wirkte noch leuchtender als gewöhnlich, im Gegenlicht glitzerte es so fein, als wäre es aus Feengold gesponnen. Nathaniel schalt sich innerlich - wie albern, sein Bild von Eliza vom Inhalt ihrer Geschichten beeinflussen zu lassen.
    Eine Weile herrschte betretenes Schweigen. Es gab so viel zu sagen, und doch fiel ihm nichts ein. Seit die ganze Sache arrangiert worden war, sahen sie sich zum ersten Mal wieder. Er räusperte
sich, griff unwillkürlich nach ihrer Hand, doch sie drehte sich plötzlich zum Herd um.
    Nathaniel lehnte sich zurück. Er wusste nicht, wo er anfangen, welche Worte er wählen sollte. Schließlich sagte er: »Du weißt, warum ich hier bin.«
    Ohne sich umzudrehen: »Selbstverständlich.«
    Er betrachtete ihre Finger, diese langen, schmalen Finger, als sie den Wasserkessel aufsetzte. »Dann weißt du also auch, was ich dir zu sagen habe?«
    »Ja.«
    Von draußen trug der Wind die lieblichste Stimme herein: »Apfelsinen und Zitronen und braune Kaffeebohnen …«
    Eliza straffte sich, sodass Nathaniel die

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