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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Schnürsenkel zu und rannte die Stufen hinauf. Ihre Hosenbeine waren nass und schlugen gegen ihre Knöchel, als sie zwischen den Bäumen hindurch zum Haus zurückeilte. Die Sonne war inzwischen höher gestiegen, und der Weg war jetzt kühl und schattig. Es war, als liefe sie durch einen Tunnel, einen geheimen Laubengang aus Dornengestrüpp, wo Feen und Elfen und Kobolde hausten. Aus ihren Verstecken heraus beobachteten sie Eliza, wie sie durch ihre Zauberwelt huschte. In der Hoffnung, eines der Wesen zu Gesicht zu bekommen, behielt sie im Laufen das Unterholz im Auge und bemühte sich, dabei nicht zu blinzeln. Schließlich wusste jeder, dass eine Fee demjenigen, der sie erblickte, drei Wünsche erfüllte.
    Ein Geräusch ließ Eliza erstarren. Sie hielt den Atem an. Auf der Lichtung vor ihr saß ein Mann, ein echter, lebendiger Mann. Der mit dem schwarzen Bart, den sie am Morgen von ihrem Fenster aus gesehen hatte. Er hockte auf einem Baumstamm und wickelte gerade ein Stück Fleischpastete aus einem karierten Küchentuch.
    Eliza drückte sich in den Schatten der Bäume und beobachtete den Mann. Die Spitzen kleiner Zweige streiften ihr kurzes Haar, als sie auf einen niedrig hängenden Ast kletterte, um eine bessere Sicht zu haben. Neben dem Mann stand eine mit Erde gefüllte Schubkarre. So sah es zumindest aus. Aber Eliza wusste, dass das bloß eine List war, dass er unter der Erde seine Schätze versteckt hatte. Denn er war natürlich der Piratenkönig. Einer der Tregenna-Piraten oder zumindest der Geist eines Piraten. Ein untoter Seefahrer, der auf eine Gelegenheit wartete, den Tod seiner
Kameraden zu rächen. Ein Geist, der noch eine Aufgabe zu erledigen hatte und in seinem Versteck kleinen Mädchen auflauerte, die er mit nach Hause nehmen konnte, damit seine Frau sie zu Fleischpastete verarbeitete. Ihm gehörte das Schiff, das sie am Horizont gesehen hatte, das große, schwarze Segelschiff, das verschwunden war, als sie geblinzelt hatte. Es war ein Geisterschiff, und er …
    Der Ast, auf dem sie saß, brach, und Eliza landete in einem Haufen feuchten Laubs.
    Der bärtige Mann zuckte kaum mit der Wimper. Sein rechtes Auge blickte kurz in Elizas Richtung, während er in aller Ruhe weiterkaute.
    Eliza stand auf, klopfte sich den Dreck von den Knien und zupfte sich ein trockenes Blatt aus den Haaren.
    »Du bist also die neue kleine Miss«, sagte der Mann langsam mit vollem Mund. »Ich hab gehört, dass du kommen würdest. Allerdings siehst du mit dieser Jungshose und den kurzen Haaren nicht gerade aus wie eine Miss, wenn ich das mal bemerken darf.«
    »Ich bin gestern Abend angekommen. Ich hab das Gewitter mitgebracht.«
    »Ziemlich beachtliche Leistung für so ein kleines Ding, wie du es bist.«
    »Mit einem starken Willen kann auch ein Schwacher Macht ausüben.«
    Eine seiner Augenbrauen, die aussahen wie haarige Raupen, zuckte kurz. »Wer hat dir das denn erzählt?«
    »Meine Mutter.«
    Zu spät erinnerte Eliza sich daran, dass sie ihre Mutter eigentlich nicht erwähnen durfte. Mit klopfendem Herzen wartete sie ab, wie der Mann reagieren würde.
    Er musterte sie kauend. »Ich muss sagen, deine Mutter wusste, wovon sie redete. Aber das haben die meisten Mütter so an sich.«

    Ein warmes Prickeln der Erleichterung. »Meine Mutter ist gestorben.«
    »Meine auch.«
    »Ich wohne jetzt hier.«
    Er nickte. »Sieht so aus.«
    »Ich heiße Eliza.«
    »Und ich Davies.«
    »Du bist ziemlich alt.«
    »So alt wie mein kleiner Finger und ein bisschen älter als meine Zähne.«
    Eliza holte tief Luft. »Bist du ein Pirat?«
    Er lachte. Es war ein tiefes, puffendes Geräusch wie von Rauch, der aus einem schmutzigen Kamin aufsteigt. »Da muss ich dich leider enttäuschen, meine Kleine. Ich bin nur der Gärtner, so wie mein Vater es früher war. Genauer gesagt, der Labyrinthgärtner.«
    Eliza zog die Nase kraus. »Labyrinthgärtner?« »Ich halte das Labyrinth in Schuss.« Als Eliza noch immer verständnislos dreinblickte, deutete er auf zwei große Hecken hinter sich, zwischen denen sich ein schmiedeeisernes Tor befand. »Das ist ein aus Hecken gemachtes Rätsel. Es geht darum, seinen Weg hindurchzufinden, ohne sich zu verirren.«
    Ein Rätsel, das man betreten konnte? Von so etwas hatte Eliza noch nie gehört. »Und wo führt der Weg hin?«
    »Ach, hin und her und im Kreis herum. Wenn man Glück hat und den richtigen Weg findet, kommt man am anderen Ende des Anwesens wieder raus. Wenn man Pech hat«, seine Augen weiteten sich

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