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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Tempelmutter schwankte nach vorn und rutschte in der Blutlache unter ihrem linken Fuß aus. Ich versuchte, auf die Füße zu kommen, aber es war die Tanzmistress, die sie auffing, bevor sie zu Boden stürzen konnte.
    »D … danke«, sagte die Tempelmutter.
    Ein Wehklagen und Schreien brach ringsum los. Es bedurfte dieses Mal aller priesterlichen Mütter und der Klingen dazu, die Ruhe wieder herzustellen.
    Die Tanzmistress und ich standen von Klingen umstellt in dem sakralen Kreis. Mutter Argai mit ihrer Armbrust und ein Dutzend weitere, unter ihnen auch Mutter Shesturi, die meinem Blick auswich. Die Besucher, Anwärterinnen und einige der vereidigten Mütter hatten die Ränge verlassen.
    »Mutter«, sagte ich.
    Die Tempelmutter sah mich an. In diesem Augenblick konnte ich in ihrem Gesicht all die Frauen sehen, die sie gewesen war – das Anwärtermädchen, die junge Priesterin, die Lehrerin Mutter in mittleren Jahren und jetzt die weise alte Frau, die uns alle leitete, und die, wenn es notwendig war, der Göttin in ihren Körper Einlass gewährte. Ich frage mich, was sie in mir sah. Narben? Rebellion? Vielleicht eine ausländische Närrin, die eine gute Kalimpuri sein wollte.
    »Es ist zu spät, Green.« Ein betrübtes Lächeln flog über ihr Gesicht. »Das war ein unleugbarer Ruf aus den Sphären, wie es ihn deutlicher nicht geben könnte. Die Anweisung der Göttin ist ganz klar. Du musst gehen.«
    »Ich … ich bin noch nicht so weit.« Es stimmte, aber mein Eingeständnis überraschte mich.
    »Deine Zeit ist um.« Ihre Miene wurde streng, als sie sich müde aufrichtete. Und mit lauter Stimme verkündete sie zu den Rängen hin: »Ich rufe zur Ordnung. Die Versammlung ist einberufen.«
    Es wurde still im Raum. Nicht das betäubte Schweigen nach dem Abgang der Göttin, sondern die raschelnde, unruhige Stille einer Gruppe unzufriedener Menschen, die hören wollten, was als Nächstes kam.
    »Wir haben erfahren, was getan werden muss«, sagte sie. »Wir haben keine Anweisung erhalten, wie wir das tun sollen.«
    »Wenn die Gefahr in ihrem Herzen ist«, rief jemand, dessen Stimme mir nicht bekannt war, »dann schneidet es heraus und beendet die Bedrohung, solange wir es noch vermögen.«
    Ich warf der Tanzmistress einen Blick zu. Sicher wusste sie, dass die Frauen sie augenblicklich töten würden, wenn sie könnten.
    »Wir sind noch immer die Bösen, nicht?«, flüsterte sie.
    Es dauerte einen Moment, bevor ich begriff, dass es ein Scherz war. Ich verzog das Gesicht, dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Tempelmutter zu. Sie sprach zu den Rängen direkt über und hinter mir, wo ich die Bänke nicht sehen und auch nicht wissen konnte, wer das Leben der Tanzmistress forderte.
    »… ist doch eine reine Narretei«, sagte die Tempelmutter. »Selbst unsere jüngsten Anwärterinnen wissen es besser, als zu glauben, die Göttin hätte es wörtlich gemeint, dass unsere Schwierigkeiten in den Windungen des Herzens dieser Ausländerin zu finden wären wie Würmer in einem Hund.«
    »Es ist die einfachste Lösung«, erwiderte die Frau. »Und ist keine Handlung, die den Worten der Göttin widerspricht.«
    »Sei nicht so dumm«, rief ich und war von mir selbst überrascht.
    Die Tempelmutter blickte mich verärgert an.
    »Wir haben eine Versammlung«, sagte ich. »Ich habe doch das Recht, zu sprechen.«
    »Du hast noch keinen Schwur geleistet«, erwiderte sie. »Dennoch hat die Göttin dich mit Namen genannt, du stehst also in hohem Ansehen bei ihr. Rede, wenn du willst.«
    Ich erhob mich und trat in die Mitte des sakralen Kreises. Als ich mich umdrehte, sah ich eine Gruppe von Frauen in Justiziarroben. Eine hatte laut den Tod meiner Freundin gefordert.
    »Du beleidigst unsere Intelligenz«, stellte ich fest, »und hintertreibst die unmissverständliche Absicht der Göttin. Meine älteste und beste Freundin hat das Sturmmeer überquert, um mir Nachricht von einem Unheil im Norden zu bringen. Die Liliengöttin hat das bestätigt und uns aufgefordert, dorthin zurückzukehren. Die Tanzmistress ist der Garant für eine Tat oder Entscheidung oder Hoffnung oder Liebe, die in den bevorstehenden Ereignissen eine wichtige Rolle spielen wird.«
    »Kein Einwand von meiner Seite.« Die Tempelmutter blickte in die Runde. »Wir haben eine der klarsten Anweisungen erhalten, die je an diesem Altar vernommen wurde, solange ich lebe. Es wird keine Zugeständnisse an den Rohrdommelhof geben, und diese Fremde wird nicht getötet.« Ihr Blick

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