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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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fühlen, wenn du das machst.«
    Wir arbeiteten bis zum Abend zusammen. Die Hütte hatte keine eigene Küche, nur die Kochstelle mit ihren Topfhaken und einen kleinen schmiedeeisernen Rost, auf den ich eine Brotpfanne stellen konnte. Die Vorratskammer war reichhaltiger, als ich erwartet hatte, besonders was Gewürze anging. Wir schickten Corinthia Anastasia ein halbes Dutzend Mal hinaus. Sie wurde willfähriger, als es köstlich zu duften begann.
    Schließlich hatte ich geschmortes Kaninchen in Butterkruste fertig. Dazu hatten wir Salat aus dem Garten, Honigkarotten und einen Glühwein, den ich selbst würzte. Ich hätte unser Mahl auf selistanische Art zubereitet, doch dafür hatte sie weder die Gewürze noch die richtigen Zutaten. Aber selbst so hätte ich mich schon an den Gerüchen allein satt essen können.
    Auf eine einfache, befriedigende Weise war ich glücklich. Wenn ich es je schaffte, keine Leute mehr zu töten, dann würde ich versuchen, mich mit Kochen durchs Leben zu schlagen. Vielleicht ein kleines Imbisshaus in Copper Downs für selistanisches Essen, oder besser noch, eine kleine Imbissstube in Kalimpura für nördliches Essen. Es war eine schmerzliche Träumerei, und ich verdrängte sie, vielleicht für einen späteren Zeitpunkt.
    Der Abend war kühl, dennoch setzten die Frau und ich uns in Decken gehüllt draußen auf eine Bank. Ihr Schenkel war wärmesuchend an meinen gedrückt. Ausgeruht und satt war es leicht, sich uns beide als Freundinnen vorzustellen. Oder als Liebespaar. Ich fühlte mich so geborgen, dass ich nicht einmal wusste, wo sich mein Messer befand. Auf gewisse Weise erleichterte mich das.
    Natürlich erfüllte es mich auch mit Besorgnis.
    »Ich verlasse euch morgen«, sagte ich.
    »Viel Glück auf deinem Weg.«
    Irgendwie hatte ich erwartet, dass sie mich zurückhalten würde. »Danke, dass ihr mich aufgenommen habt.«
    »Ich weiß natürlich, wer du bist.« Sie suchte nach den richtigen Worten. »Es gibt die verschiedensten … Geschichten … über dich in diesen Bergen. Vor allem in diesen Bergen.« Sie bedachte mich mit einem langen, eindringlichen Blick. »Weißt du, wo du bist?«
    »Nein.«
    »Damals, als Copper Downs ein Königreich war, bevor die Königshäuser der Steinküste in den Amphora-Kriegen untergingen, da war es Brauch in der Stadt, die wichtigsten Toten weit außerhalb der Stadtmauern zu begraben. Ich nehme an, dass sie wollten, dass die Toten in Frieden ruhen konnten.«
    Die Amphora-Kriege? Wie weit blickte sie in die Vergangenheit zurück? Über diese Auseinandersetzungen hatte ich nichts gelesen. Die Herzogskrone gab es seit wenigstens tausend Jahren. Das bedeutete, dass Königreiche noch älter sein mussten. Ich dachte an den Faktor und sagte: »Es hielt wohl auch die Zahl der Geister in der Stadt in Grenzen, stelle ich mir vor.«
    »Das könnte man sagen. Es gibt sehr lange vernachlässigte Gräber in den Bergen. Ihre Bewohner haben weder sich noch ihre Stadt vergessen.«
    »Bist du eine Totenbeschwörerin?«
    »Nein, nein.« Sie lächelte. »Ich rede mit den Toten … Ich rufe sie nicht herbei oder unterwerfe sie meinem Willen. Eine Totensprecherin vielleicht.«
    »Mit all diesem alten Wissen lebst du in einer Einzimmerhütte bei deinen Äpfeln.«
    Schaubend sagte sie: »Warum halten die Leute die Toten immer für so weise und die Lebenden für solche Narren?«
    Ich dachte darüber nach. Die Weisheit der Vorfahren war etwas, das oft zitiert wurde. »Ich hatte angenommen, dass das Grab zumindest Geduld lehrt und Einsicht verleiht. Jenen, die nicht auf dem Weg des Rades dahinschieden oder wohin immer sie auch von ihren Göttern gesandt wurden.«
    »Vor allem macht es sie wütend.«
    »Es gibt viele, deren Leben ich beendete. Ich … Ich … weiß ihre Zahl nicht mehr.« Ich dachte an die Diebe, die Mutter Shesturis Trupp im Park tötete. »Wenn sie alle wütend auf mich sind, dann muss ich diesen Grimm hinter mir herziehen wie eine Sternschnuppe.«
    »Du bist eine Waffe, mein Mädchen. Von anderen geformt. Und jetzt nach deinem eigenen Willen benutzt.«
    »Meistens«, sagte ich. »Meistens.«
    »Hast du einen Schirmherrn, ja? Eine Schirmherrin?«
    »Ja, die habe ich«, gestand ich.
    »Und doch führt niemand deine Hand und lenkt niemand deinen Willen. War das auch so im Haus des Faktors?«
    »Absolut nicht. Fast jeder Augenblick wurde für mich geformt, und jeder Augenblick formte mich. Es war wie eine Hetzjagd durch die Kindheit.« Ich dachte an Mistress

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