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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Tirelle. Das Brechen ihres Genicks hallte noch immer in meinen Gedanken wider, wenn ich es zuließ. »In diesen Blausteinmauern tötete ich zum ersten Mal. Und viele sind danach meinetwegen gestorben.« Ein unerwartetes Schluchzen entfloh mir, obgleich ich es mit aller Macht zu unterdrücken versuchte.
    Sie legte mir einen Arm um die Schultern und drückte mich an sich. »Ich sagte dir schon, ich wusste von Anfang an, wer du bist. Bei den alten Gräbern hält man viel von dir; wenigstens die Geister, die die Welt noch wahrnehmen, wie sie heute ist.«
    »Weil ich so viele getötet habe?«
    »Die Stadt hat ihre Schutzherren. Ihre Eltern. Wie jedes Kind geht sie vorwärts in der Zeit, während sie zurückbleiben. Du hast sie befreit.«
    »Für Choybalsan«, sagte ich bitter mit salzigen Tränen in der Stimme.
    »Ein weiterer Schritt auf dem Weg.«
    »Ich bin des Tötens so müde.« Ich schluchzte erneut in ihren Armen. »Ich mag keine Städte mehr befreien.«
    »Du möchtest nach Hause gehen?«
    »Ja!«, schrie ich auf und weinte eine Weile an ihrer Schulter. Als ich schließlich meine Stimme wiederfand, stammelte ich schwer atmend: »Ich habe kein Zuhause.«
    »Jeder kehrt heim ins Grab.« Sie strich mir übers Haar. »Die Glück haben, kehren heim zu ihrem Herzen, solange sie noch können.«
    Ich weinte noch eine Weile. Als ich mich wieder aufrichtete und mir die Tränen aus den Augen gewischt hatte, stellte ich ihr die Frage, die mir auf der Zunge lag: »Kennst du jemanden, der den Untergang des Hauses des Faktors überlebt hat? Welche von den Mädchen? Oder den Mistresses?«
    Sie bedachte mich mit einem langen Blick. Ich konnte die Fragen in ihren Augen sehen. Schließlich: »Eine mit Namen Danae lebt bei den Gräbern hoch in den Bergen. Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, doch sie hat noch Kraft, am Leben festzuhalten.«
    »Mistress Danae?« Worte drängten sich in meine Kehle, dass ich zu ihr gehen und mit ihr sprechen und sie über die Zeit mit mir befragen wollte, aber etwas am wachsamen Ton der Frau ließ mich an mich halten.
    »Nur Danae, glaube ich. Es dauerte ein paar Monate, bevor sie sich bis auf Steinwurfweite an mich heranwagte. Und selbst jetzt reden wir nicht viel miteinander.« Mit einem Seufzen fuhr sie fort: »Ich bringe ihr Decken und etwas zu essen, und manchmal erzähle ich ihr von Orten in den Bergen, wo sie Unterschlupf oder anderes zum Überleben finden kann. Sie hat Dinge erlebt, die ihren Verstand verstümmelten.«
    »Ich würde ihr alles Gute wünschen, aber ich werde ihren Frieden nicht stören.«
    »Ja, Frieden. Zerbrochen folgte sie einer inneren Stimme in die Berge. Ich werde nicht zulassen, dass etwas sie an ihrem Ruheplatz stört.«
    »Danke.« Ich beugte mich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Und mit dieser flüchtigen Zärtlichkeit spürte ich, dass diese Frau und ich zu einer anderen Zeit die besten Freundinnen und Geliebten gewesen wären.
    Am Morgen bekam ich einen neuen Schleier geschenkt. Meinen alten hatte ich längst verloren.
    »Woher wusstest du?«, fragte ich mit großer Freude. Er bestand aus einem mit schwarzer Seide überzogenen Metallnetz.
    Die Frau lächelte. »Niemand hat dich verraten, aber die Gräber hatten ein Auge auf dich.«
    Ich betrachtete ihn von allen Seiten, bewunderte seine winzigen Metallglieder und wie leicht er war. »Das ist ein Grabgeschenk?«
    »Ja. Für dich gemacht.«
    Ein wenig schrak ich zurück vor dem Gedanken, etwas von den Toten zu erhalten, aber ich war dankbar dafür. »Wenn ich jetzt noch eine Klinge hätte.«
    »Ich handle nicht mit Waffen«, sagte sie ernst, »aber wenn du mein Ausbeinmesser mit dem grauen Griff nehmen möchtest, werde ich nichts einwenden.«
    Die Küchengeräte hingen an einem Brett in der Nähe des Feuers. Ich wusste genau, von welchem Messer sie sprach. Diese Klinge war wesentlich kleiner und leichter als die letzten beiden, die ich hatte und die zum Kämpfen geeignet waren. Ich nahm es herab und hielt es wie gegen einen Feind. Ich konnte gut ohne Waffe kämpfen, aber mancher Kampf ließ sich durch Abschreckung vermeiden.
    War Hautlos deshalb gefeit gegen Waffen, aber nicht Schläge? Weil hier niemand mehr auf die Kraft seiner Hände baute und vertraute?
    Wieder eine Frage, der ich bei Gelegenheit nachgehen musste. Ich steckte das Messer weg. Der Griff ragte aus dem Stiefelrand und ließ mich wie einen Schurken aussehen, aber die Zeit für die feinen Unterschiede war vorbei. Besonders verschleiert und

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