Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
bearbeitetem Stein.
Wasser floss niemals aufwärts. Von diesem sehr tiefen Punkt ragte das Ufer wenigstens fünfzehn Fuß über meinen Kopf empor.
Konnte ein Abwassertunnel darunter verborgen sein? Dieses ganze Gebiet von Dünen und gewundenen Uferböschungen mochte über den Ruinen eines uralten Viertels von Copper Downs liegen.
Die Minenstollen unter der Stadt waren sicherlich wesentlich älter als die Traditionen der Menschen, die jetzt über ihnen lebten. Alles war möglich.
Furcht konnte ich mir in meiner Lage nicht leisten, also unterdrückte ich sie. Ich holte dreimal tief Luft, um meine Brust mit Luft und mein Herz mit Mut zu füllen. Ich hielt mein Messer vor mich, tauchte in das stinkende Wasser und stemmte meine freie Hand gegen die Oberseite der Kanalöffnung.
Gegen die Strömung einzudringen erwies sich als schwierig. Die Decke des Kanals verlief gleichmäßig eben, während ich in der Hocke vorwärtswatschelte. Der Boden war rutschig von einem Schleim, der mir den Halt zu rauben drohte, sodass ich nur langsam vorankam. Ich hielt meine freie Hand über mich, in der Hoffnung, eine Öffnung oder ein Gewölbe zu ertasten, in dem Luft sein mochte.
Wenn der ganze Abfluss voller Wasser war, dann würden alle meine Hoffnungen hier enden.
Göttin. Du hast mir Deine Lilien gezeigt. Ich glaube nicht, dass Du nur mit mir spielst. Wir beide fürchten, was wir hier finden könnten. Steh mir bei, dass ich alle von der bevorstehenden Tyrannei befreien kann.
Hier im schlammigen Wasser in einem fernen Land zur Liliengöttin zu beten erschien mir nicht sehr erfolgversprechend, aber ich musste etwas tun. Irgendetwas. Meine Lungen brannten. Der Atemreflex war so stark, dass ich den Mund öffnen wollte, obgleich der Druck des Wassers ihn verschloss.
Ich könnte umdrehen und mich von der Strömung zurück zu den Lilien tragen lassen.
Ich könnte himmlische Luft und Tageslicht finden.
Ich könnte einen anderen Weg suchen, könnte mich vielleicht sogar ergeben und in die Stadt bringen lassen.
Ich konnte fühlen, dass sich die Decke plötzlich nach oben wölbte.
Ich richtete mich auf und folgte den Steinwänden. Meine Hand fand einen Hohlraum, und einen Augenblick später war mein Gesicht in der feuchten, modrigen Luft des Untergrundes. Der vertraute Geruch war kein geringerer Segen als Wasser in der Wüste. Nach mehreren tiefen, keuchenden Atemzügen bewegte ich mich vorwärts und versuchte aufzustehen. Ich vermochte absolut nichts zu sehen, denn es gab kein Moderlicht hier. Meine Hände verrieten mir, dass ich mich in einem niedrigen Gewölbe befand, das in den Ausfluss mündete.
Um atmen zu können, musste ich leicht gebeugt in den Knien und Hüften gehen und meinen Kopf nach hinten neigen, um meinen Mund über Wasser zu halten. Diese Haltung war schmerzhaft, aber nicht unerträglich. Es gab nur eine Richtung für mich, vorwärts.
Mit vorgestrecktem Messer setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich schlurfte vorsichtig voran, um nicht in eine unvermutete Öffnung zu sinken oder über Scherben und Steine zu stolpern und unterzugehen. Die Strömung schien stärker zu werden. In meine Furcht begann sich langsam Panik zu mischen, doch dann erreichte ich einen größeren Raum, wo ferne Echos die Luft erfüllten.
Ich brauchte drei Versuche, bevor ich mich auf einen trockenen Gang hinaufschwingen konnte. Dort lag ich eine Weile stinkend und nass und erschöpft keuchend, ehe mir auffiel, dass ich etwas sehen konnte. Ein schwacher Schimmer drang, unterbrochen von dunklen Umrissen, an meine Augen.
Moderlicht. Auf bearbeitetem Stein.
Nie zuvor in meinem Leben war ich so froh über eine Offenbarung gewesen.
Ich stolperte zitternd auf die Beine und kratzte das moosige Zeug zusammen, bis ich einen kleinen schimmernden Klumpen in der Hand hatte. Es war mir gleich, dass ich nun für alles, was mir über den Weg lief, sichtbar war. Ich würde es entweder töten oder für meine Absichten gewinnen.
Nach ein paar tiefen, befriedigenden Atemzügen machte ich mich auf die Suche nach dem Teil der Stadt, den ich kannte. Meine Orientierung hatte ich im Abflusskanal verloren, aber die Logik sagte mir, dass ich mich in ungefähr westlicher Richtung bewegte. Daran hielt ich mich, bis ich irgendetwas Vertrautes hier im Untergrund fand, oder auf einen Ausstiegsschacht stieß, aus dem ich mich gefahrlos umsehen konnte.
Während ich in den feuchten Gängen unter der Stadt meinen Weg suchte, überlegte ich, wer mir helfen könnte.
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