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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Hautlos hätte ich vielleicht gegen Choybalsan einsetzen können, aber Septio war tot. An den Pater Primus verschwendete ich keinen Gedanken. Ihm traute ich gar nicht über den Weg.
    Ich hatte ein oder zwei Freunde hier. Mutter Eisen, auf ihre seltsame Art. Den Tavernenwirt und Chowdry. Sie waren keine Kämpfer. Ich erwog, mich an den Rektifizierer zu wenden. Jemand, der Priester tötete und ihre Knochen offen zur Schau trug, würde nicht davor zurückschrecken, es auch mit Göttern aufzunehmen.
    Aber er war einer vom Volk der Tanzmistress. Ihre Herzen waren mir fremd. Sie schienen völlig unfähig zu sein, es mit Choybalsan aufzunehmen. Vielleicht vermochten sie nichts gegen ihre eigene Magie auszurichten. Die Genetten hatten in den vier Jahrhunderten, da der Herzog mithilfe ihrer gestohlenen Magie herrschte, herzlich wenig unternommen.
    Ein Gewölbebogen öffnete sich über mir. Ein Strahl von wolkengedämpftem Tageslicht stach offenbar von einem Abflussgitter der Straße herunter, obgleich sich hier kein Kanal befand. Wohin sollte ich gehen? Bei wem Hilfe suchen?
    Beim Faktor.
    Ich hatte seinen Totengeist gesehen, dessen war ich sicher. Von allen hatte er den meisten Grund, Choybalsan zu hassen und zu fürchten. Federo hatte an sich gerissen, was er einst besaß, um der Banditenkönig, der entstehende Gott zu werden. Choybalsan suchte nach den fehlenden Teilen, den Schlüsseln, in deren Besitz er mich wähnte. Mit Sicherheit bezog der Geist des Faktors seine Kraft aus eben solch einem fehlenden Teil. Ohne Zweifel würde Choybalsan versuchen, ihm diese Kraft ebenso zu entreißen wie mir meinen Teil.
    Welche Gefühle auch immer den Faktor über den Tod hinaus noch an diesen Ort banden, sie mochten meinen Zwecken dienlich sein.
    Ich trat vorsichtig in das vergitterte Viereck aus Licht in der Mitte des Gewölbes. Wie rief man die Toten? Nach Lacodemus mit Trankopfern. Ich hätte die Frau in den Obstgärten fragen sollen, welche Riten sie kannte. Aber sie wäre vielleicht nicht sehr hilfreich gewesen. Ich hatte den Eindruck gehabt, dass sie mehr darauf bedacht war, die Stimmen in ihren Berggräbern zum Verstummen, denn zum Reden zu bringen.
    Es musste auf die alte Weise geschehen. Krieger schütteten Wein in die Gräber, um mit ihren Toten zu sprechen, aber ich wusste, dass Wein nur Ersatz für Blut war. Das war das Gesetz der Similären Ersetzung, für jene, die solche Dinge unternahmen, und eine Ersetzung dieser Art schwächte immer die Wirkung.
    Einen Augenblick lang bewunderte ich wieder einmal das Wissen, das man mir aufgezwungen hatte.
    Das gleiche Wissen sagte mir, dass ich ihn nicht als den Herzog suchen durfte. Als der Faktor hatte er auf eine absonderliche Weise für mich gesorgt. Als Herzog hatte ich ihn auf ebenso absonderliche Weise getötet. Die Form dieser Beschwörung würde eine wichtige Rolle spielen.
    Ich band die Glocke von meiner Mitte los und befreite die Klöppel zu beiden Seiten des runden Hohlkörpers. Ich stellte sie zu meinen Füßen ab. Dann machte ich mit dem Ausbeinmesser einen leichten Schnitt auf der Innenseite meines linken Unterarms. Ich legte das Messer auf den Boden, nahm die Glocke und schwang sie langsam, sodass sie auf die Weise läutete, als ginge Ausdauer dicht hinter mir.
    Dabei traten mir Tränen in die Augen. Eine Salzwasserweihe würde die Macht des Blutes sicher nicht schwächen.
    »Faktor.« Eine laute Stimme war nicht vonnöten. Sein Totengeist würde mich hören oder nicht. Blut tropfte mit einem leisen Zischen in das Moos innerhalb des sonnenbeschienenen Vierecks. Dann flossen die Worte, wie sie mir in den Sinn kamen. »Faktor, ich rufe dich. Ich, Green, die du Smaragd nanntest, und deren Leben du gestohlen hast, rufe dich herbei.« Ein Schauder rann mir über den Rücken und ich holte tief Luft. »Du hast mich im zerstörten Hof deines Hauses gerufen. Jetzt rufe ich dich durch dieses gleiche Band.«
    Danach schwieg ich, läutete jedoch die Glocke weiter. Während ihrer hölzernen Laute begannen sich die Härchen an meinen Armen aufzurichten. Es war ein Gefühl, als wäre ich durch den Blitzzaun gegangen. In einem Anflug von Panik dachte ich schon, ich hätte irgendwie Choybalsan beschworen.
    Rauch stieg mir in die Nase. Zu meinen Füßen begann das Blut zu gerinnen. Etwas befand sich hinter mir, gefährlicher als Klingen, beängstigender als Wunden.
    Auf der ganzen Welt hätte ich nicht genug Mut gefunden, mich umzudrehen. Ich zitterte und weinte und wünschte, ich

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