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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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mächtig. Der gemeinsame Seelenpfad, den sie statt Seelen haben, verlieh ihnen eine Stärke auf dieser Welt, der nichts gewachsen war. Tausend Männer bezahlten den Kampf gegen sie mit dem Leben. Ich nahm ihnen das, womit sie Tod und Verderben über Bauern und Kinder und Händler brachten, und stellte Frieden in Copper Downs her. Ich brachte sogar ihnen Frieden!«
    Ich wehrte mich gegen seine Logik. Dieser Mann war der Bösewicht über Jahrhunderte hinweg, aber wie er es beschrieb, hatte er nur das Wohl der Stadt im Sinn und es ihr auch gebracht.
    Es stimmte. Hunderte mussten in den Aufständen nach dem Sturz des Herzogs gestorben sein. Noch immer waren viele Gebäude, ja ganze Blocks, niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut worden. Der Seehandel war geschrumpft. Die Stadt lebte in Furcht.
    Das war nicht so unter der Herrschaft des Herzogs gewesen.
    Aber das war Augenwischerei. Der Kernpunkt war ein anderer. Ich hatte ihn schon immer gekannt. »Du hast Generationen ihrer Möglichkeiten beraubt, zu entscheiden. Du hast mir diese Möglichkeit gestohlen. Meine Freiheit.«
    Er lachte bitter. »Freiheit? Die Frau eines Reisbauern zu werden? Du solltest mir auf Knien danken, Green, dass ich dich davor bewahrt habe.«
    »Das war mein Schicksal!«
    Der Faktor lehnte sich näher und fauchte: »Dann betrachte dein Schicksal als geändert. Du müsstest erfreut darüber sein, wenn du ehrlich bist.«
    Ich holte Atem und schob seine Worte beiseite. Ich hatte genug von seiner eigennützigen Logik und der Rechtfertigung seiner Erinnerungen.
    Das brauchte ich nicht, ich brauchte ihn.
    »Unser Disput ist sinnlos«, sagte ich schließlich und sammelte meine Gedanken. »Du bist, was du jetzt bist …«
    »Wozu du mich gemacht hast«, unterbrach er mich.
    »Wozu du dich selbst gemacht hast. Schließlich hast du mich gemacht.« Ich bedachte ihn mit dem freundlichen, boshaften Lächeln, das mir immer leichter zu fallen schien. »Du bist, was du bist. Ich bin, was ich bin. Choybalsan wird uns beide beseitigen, um an deine Stelle zu treten.«
    Der Faktor schüttelte den Kopf. »Oh, nein. Ich war nie ein Gott.«
    »Und meiner Meinung nach sollte auch er keiner sein. Er ist zu grausam und dumm.«
    »Habe ich dich zu einem Richter gemacht?«
    Ich versuchte, ihn mit meinem Blick niederzuzwingen, doch das ist unmöglich bei einem Geist. Er blinzelte nicht. »Nein, aber in deinem Haus wurde ich zu jemandem, der zu richten vermag, wenn es notwendig sein sollte.«
    »Du hast vor, Götter zu töten, und hast auch gelernt, wie das bewerkstelligt werden kann?« Sein Lächeln blieb boshaft. »Meine Ausbildung muss in der Tat sehr gründlich gewesen sein.«
    »Das habe ich in der Welt draußen gelernt. Aber, um zu tun, was getan werden muss, brauche ich deine Hilfe. Oder wenigstens deinen Rat.«
    Der Faktor spreizte seine Hände wie ein Gemüsehändler, der sich entschuldigen muss, weil er keine Rüben mehr hat. »Du brauchst nur danach zu fragen.«
    Solch ein seltsames Echo von Corinthia Anastasias Bemerkung. Ich brauchte einen Moment, mir klar zu werden, dass er wollte, dass ich ihn jetzt sofort, noch in dieser Stunde, um seine Hilfe bat. »Gut. Hilfst du mir bitte, deine Stadt und dich vor diesem Mann zu retten, der der Gottkönig werden möchte?«
    »Ja.«
    Er musste Choybalsan noch viel mehr fürchten als ich. Er konnte sich zum Beispiel auf keinem Schiff absetzen. Der Faktor ließ alles auf seine herablassende Art so einfach erscheinen, dass ich ihn am liebsten gleich noch einmal gestürzt hätte, wenn mir die Macht dazu gegeben gewesen wäre.
    Kurz darauf saß ich auf einer Stufe. Der Faktor schritt vor mir auf und ab. Er machte kein Geräusch, außer wenn er sprach. Ich hatte ihm gerade von dem Kampf in Choybalsans Zelt erzählt.
    »Wie bist du auf den Gedanken gekommen, dass du einen Gott verletzen könntest?«, fragte er.
    »Weil er eine menschliche Gestalt hat.« Ich zuckte die Achseln mit einem vagen Schamgefühl. »Außerdem habe ich von Gottmördern hier in Copper Downs gehört. Wenn die es konnten, warum dann nicht ich?«
    Der Faktor hielt das für äußerst unlogisch. »Das waren Spezialisten aus dem Safranturm auf der Durchreise. Einer war nicht einmal menschlich.«
    »Was war ihr nächstes Ziel?«
    »Selistan.«
    Eiskalte Furcht stach mir ins Herz.
    Sein boshaftes Grinsen bohrte in der Wunde. »Hast du dich dort verfolgt gefühlt?«
    »Ich bin keine Göttin«, sagte ich. Aber ich kannte eine. Dieser Mord war Schnee von gestern. Wer

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