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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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hier drin verbringen und anderen Mädchen beibringen, was ich mit den Schlägen der sandgefüllten Rolle eingebläut bekommen hatte.
    Das erinnerte mich an das, was ich an den fehlenden Nachtläufen mit der Tanzmistress am meisten vermisste. Es war nicht die Anstrengung, sondern niemanden zu haben, der mir zu sprechen gestattete und uneingeschränkt darauf hörte, was ich zu sagen hatte.
    Umso schlimmer für sie, dass sie mich benutzen wollte.
    Der Zorn hielt mich aufrecht. Er würde mir Kraft geben während des Tages. Ich ging in die Küche hinunter. Ich würde erst frühstücken, wenn mir Mistress Tirelle die Erlaubnis gab, die Morgenmahlzeit zuzubereiten, aber ich konnte mich an Ort und Stelle mit meinen früheren Backüberlegungen und den Gewürzen und Zutaten beschäftigen.
    Das war bisher der beste Tag mit Mistress Tirelle. Wir hatten einen Plan, und meine Fertigkeiten waren so weit gediehen, dass ich die Führung übernehmen konnte.
    Der Granatapfelhof hatte vor kurzem eine Lieferung exotischer Früchte erhalten, die, wie man mir sagte, aus einem Glashaus stammten, welches ein wenig südliche Sonne an die Steinküste brachte. Ich kühlte Bananen auf Eis, dann schnitt ich sie in dünne Scheiben und briet sie mit Sesamkörnern. Der aufsteigende Duft war himmlisch, denn Sesam verstärkt fast jeden Geschmack. Gleichzeitig verarbeitete ich Guaven zu einer festen Paste, die ich mit gemahlenen Mandeln anreicherte. Diese Verquickung von süß und sauer ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Als Unterlage bereiteten Mistress Tirelle und ich einen kräftigen Butterteig, den ich auszog und zusammenfaltete und auszog und faltete. Schließlich streute ich Hagelzucker und blättrig geschnittene Mandeln darüber. Den Teig schnitt ich in ein Dutzend Vierecke, bestrich sie mit der Guavenpaste, belegte sie mit den knusprigen Bananen und faltete den Teig darüber zusammen. Ich bestrich alle Vierecke mit gerührtem Wachtelei und bestreute sie mit weiterem Hagelzucker, ein paar Körnern Kristallsalz und Sesamkörnern. Auf jedes Stück legte ich eine ganze Nuss, sodass beim Backen eine Vertiefung entstehen würde, in die ich eine gekühlte Bananenscheibe zu legen plante, sobald die Gebäckstücke aus dem Ofen kamen und abgekühlt waren.
    Als sie fertig waren, sahen diese kleinen Kreationen ebenso schön aus wie all die Sachen, die Mistress Tirelle je zu Demonstrationszwecken für mich gemacht hatte. Sie begutachtete mein Werk, roch daran und berührte die Gebäckstücke leicht mit einem langen Löffel aus Holz.
    »Mädchen«, sagte sie schließlich, und ein flüchtiges Lächeln flog über ihr Gesicht. »Ja, ich denke, damit machst du dem Granatapfelhof alle Ehre.«
    Ich bin der Granatapfelhof. Aber ich hütete mich, etwas zu sagen, besonders angesichts des ersten wirklichen Lobes aus ihrem Mund. Stattdessen nickte ich und lächelte ebenfalls.
    Es wurde ein anstrengender Unterrichtstag, erst mit einem Hundepaar, dann mit einem Teppichwebstuhl, anschließend Schreibkunde und Auseinandersetzung mit den Schriften des Safranturmes sowie eine Menge anderer Aufgaben, die mir oblagen. Ich hatte keine Stunde mit der Tanzmistress, was ich seltsam fand. Viel später erst fiel mir auf, dass sie nie kam, wenn der Faktor im Haus war. Ich vermisste sie und war verärgert über das Gefühl.
    Wir hörten nichts an dem Tag. Wir hörten auch nichts am nächsten, doch die Tanzmistress war wieder da. Sie zeigte mir etwas Neues, einen Kicktanz von Inselbewohnern aus dem Sonnenmeer, bei dem zwei Partner mit einer fließenden Bewegung aneinander vorbei über die Linie sprangen, auf der sich ihre Blicke zuvor getroffen hatten. Ich fiel dabei natürlich ein Dutzend Mal auf die Strohmatten und holte mir mehr blaue Flecken als auf meinen Nachtläufen. Das waren wieder eine Reihe kleiner Verletzungen, die Mistress Tirelle mit Genugtuung wahrnehmen konnte, als hätte sie sie mir selbst beigebracht.
    Rache? Eine Botschaft? Ich fragte mich, was mir die Tanzmistress damit sagen wollte, schob den Gedanken aber beiseite. Ich würde ihr keine Befriedigung verschaffen. Es gab andere Beweise meiner Unabhängigkeit. Die Mädchen der verschiedenen Höfe herauszufordern würde mein Triumph sein.
    Als ich am nächsten Tag aus meinem Schlafraum trat, empfing mich ein heftiger Schlag aus Mistress Tirelles flacher Hand. »Zieh dein Kleid aus«, befahl sie und trommelte mit der sandgefüllten Rolle gegen ihren Unterarm.
    Was vor zwei Tagen zwischen uns in der Küche

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