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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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mich, als ich auf sie zustürmte, und wirbelte herum, um mich auf den Boden zu werfen. Ich rollte mich ab und stürzte und landete wohlbehalten, dank des Trainings, das sie mir in den letzten beiden Jahren angedeihen hatte lassen.
    »Was ist denn?«, zischte ich, als ich wieder stand.
    »Bist du dir zu gut für deine Freunde?«, fragte sie nur. Zum ersten Mal wurde mir klar, wie offen Federo und sie sich über mich unterhalten mussten.
    »Nein.« Ich atmete heftig, und meine Brust schmerzte.
    »Wir riskieren viel mit dir. Ich erwarte nicht, dass du dankbar bist. Ich wäre es auch nicht an deiner Stelle. Aber du könntest wenigstens Respekt zeigen.«
    »Wofür? Dass Menschen, die frei sind, ein Risiko eingehen?« Ich spuckte auf die Steine. »Dieses Sklavenmädchen kümmert nicht, dass ihre Besitzer unzufrieden sind.«
    Die Tanzmistress schwieg eine lange Weile, um mir Zeit zu geben, meine Worte zu bedenken. Sie waren stolz, aber Stolz war alles, was ich noch besaß. Alles andere war mir immer und immer wieder weggenommen worden.
    Schließlich sagte sie: »Ich besitze dich nicht. Auch nicht Federo, nicht einmal Mistress Tirelle.«
    Ich holte tief Luft und versuchte, in einem Ton zu sprechen, der nicht so vergiftet war, dass er verriet, wie ich in meinem Herzen fühlte. »Nein, der Faktor besitzt mich. Und ihr unterstützt seinen Anspruch.«
    »Das weißt du nicht, Mädchen.«
    »Nein, das weiß ich nicht.« Ich blickte auf die Straße hinab. Hatten wir vorgehabt, heute hinabzuklettern? Nicht ohne Angst, dass ich meine einzige Chance zur Flucht mit diesen Worten zerstörte, sagte ich: »Ich werde nicht dir gehören und auch nicht ihm.«
    Die Tanzmistress schloss meine Hand um das Stück Stoff, das ich noch immer hielt. »Deine Entscheidungen kannst nur du selbst treffen. Wenn du bereit dafür bist, dass ich wiederkomme, gib mir das zurück.«
    »Wenn ich bereit bin?«, wiederholte ich verständnislos.
    »Wenn du bereit bist.« Ihre Miene war ein Gemisch aus Ärger und Ratlosigkeit. »Vielleicht komme ich dann auch wieder. Jetzt zieh dich um und geh zu Bett. Ich habe eine Weile genug von dir.«
    Ich kletterte hinab, wobei ich zweimal ausrutschte. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich in den schwarzen Sachen der Tanzmistress und den weichen Lederschuhen und Handschuhen, die ich immer zusammen verbarg, in meinen Schlafraum zurückging. Ich zog mich aus, knüllte alles zusammen, schlich in den Aufenthaltsraum, um mir Nadeln zu holen, und nähte alles in einen kleinen Kissenbezug, den ich mit einem Motiv aus farblosen Blumen bestickt hatte, die durch eine zerbrochene Krone wuchsen.
    Mein Herz blieb kalt in den folgenden Wochen. Ich hatte noch immer meine täglichen Stunden mit der Tanzmistress, aber es gab keine Wärme zwischen uns. Sie war nicht unfreundlich und veranlasste keine Bestrafung, aber sie umarmte mich auch nicht oder sprach mir Mut zu. Ein paar Mal dachte ich, dass sie mich beobachtete, wenn sie glaubte, dass es mir nicht auffiel, aber das war ihre Sache.
    Damals glaubte ich, dass wir fertig miteinander seien. Stolz kann man ebenso wie Geduld lernen. Aber so wie man die Geduld in einem bitteren Augenblick schlagartig verlieren kann, so kann der sture Stolz ebenso hitzig erwachen.
    Ich hatte nicht die Fähigkeit verloren, der Zukunft und den Schurken zu trotzen, die mein Leben beherrschten. Aber ich konnte nicht mehr Freund von Feind unterscheiden.
    Mistress Tirelle musste gespürt haben, dass etwas zwischen mir und meiner Lieblingslehrerin zu Bruch gegangen war. Sie unterbrach einen langen und ausführlichen Unterricht über den Vorgang des Backens – Treibmittel, Mehlsorten, Teigzutaten und Gewürze –, um Süßigkeiten mit mir herzustellen. Wir hatten kleine Mengen fein gehackter Bittermandeln, Datteln in Öl und Apfelwürfel, die wir in ausgerollten Teig und Weinblätter rollten. Als sie frisch gebacken waren, goss ich gewürzten Pinienhonig darüber, den das heiße Gebäck zügig aufsaugte. Das warme Duftgemisch ließ mir ganz unverhältnismäßig das Wasser im Mund zusammenlaufen. Dann experimentierten wir mit karamellisiertem Zucker und probierten aus, wie man damit die Bonbons mit einer geschickten Bewegung mit dem Löffel phantasievoll verzieren konnte.
    »Du musst wissen, wie man jemandem mit der Zubereitung des Nachtisches Respekt erweisen kann«, erklärte mir die Entenfrau. »Eine Person kann auch durch bestimmte Feinheiten in der Zubereitung beleidigt werden. Essen ist eine Sprache.«
    Ich

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