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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ihn, auch wenn er nur in meiner Phantasie bestand.
    Wir trafen Septio im Untergrund immer wieder. Unsere Begegnungen fanden so häufig statt, dass mir bald klar wurde, dass es nicht zufällig geschah. Er spielte wie Federo eine Rolle in der geheimen Verschwörung um meine Person.
    Ich schlug ihn nicht mehr, und Septio erinnerte mich nicht an meinen ersten Angriff. Stattdessen unterhielten wir uns gelegentlich.
    »Die Götter von Copper Downs schweigen«, verriet er mir. »Sie sind so wirklich wie die Götter anderer Länder. Ich könnte dir ihre Betten und Körper zeigen, aber ihre Kräfte würden dir das Augenlicht rauben.«
    »Es ist nicht nur Schweigen, wenn die Körper nur noch Gebeine sind.«
    »Götter sind anders.«
    Später, als die Tanzmistress und ich abwechselnd eine verzierte Wand emporkletterten und heruntersprangen, unterhielten wir uns darüber.
    »Der Name seines Gottes ist Schwarzblut«, verriet sie mir.
    »Das klingt nicht nach jemandem, den man herbeirufen möchte, scheint mir.«
    »Das weiß ich nicht. Septio macht gemeinsame Sache mit anderen, die gegen den Herzog von Copper Downs sind. Gemeinsame Sache bedeutet nicht gemeinsame Interessen. Meinesgleichen ist für die Götter der Menschen gewöhnlich nicht von Bedeutung, und umgekehrt.«
    Es hatte wenig Sinn, die Tanzmistress über ihre Götter zu befragen. Sie erzählte so wenig von ihrem Volk, dass ich nicht einmal wusste, wie sie sich nannten. Selbst ihren Namen wusste ich nicht. Ich begriff aber, dass Pfade, Seelen und eine Verbindung zwischen ihnen allen von ziemlicher Wichtigkeit für sie waren.
    »Ich bin ein Mensch«, stellte ich ruhig fest.
    »Du bist nicht von hier. Deine Heimat hat ihre eigenen Götter und Geister. Sie sollten dir wichtig sein.«
    »Tulpas«, sagte ich in einer plötzlichen Erinnerung. »Wie die Seele eines Ortes oder einer Tat. Eine Idee, nehme ich an.«
    »Die Tulpas betreffen dich. Diese Stadt gehört Schwarzblut und seinen Mitschläfern.«
    »Ich gehöre jetzt zu dieser Stadt.« Das war ein verhasster Gedanke, aber die Wahrheit. »Ich kann mich kaum in meiner Muttersprache ausdrücken, während ich mich in Petraeanisch in einem Dutzend Themen gebildet zu unterhalten vermag. Ich kenne die Musik meines Volkes nicht, aber ich weiß, welche Instrumente hier gespielt werden. So ist es auch mit dem Essen, der Kleidung, den Tieren und Waffen. Meine Wurzeln mögen im heißen Süden sein, aber Copper Downs ist mir erfolgreich aufgezwungen worden.«
    »Vielleicht«, erwiderte sie nach kurzem Überlegen. »Sie haben Dutzende von Göttern hier in der Stadt. Schwarzblut ist nur einer von ihnen. Jeder hat seine Bedeutung, seinen Zweck, seinen Tempel und seine Priester.«
    »Es ist also wie ein Markt. Jeder Standbesitzer ruft seine Waren aus, und die Leute beten dort, wo das Obst am frischsten ist.«
    Die Stimme der Tanzmistress klang traurig, als sie zögernd erwiderte: »Da magst du schon Recht haben, aber du übersiehst die tiefere Wahrheit. Götter sind so wirklich wie die Menschen. Sie sind engherzig, edel, bösartig, freundlich, stark oder schwach. Aber man kauft sie nicht für einen Nachmittag und wirft sie dann weg. Jeder Gott, jede Göttin, hat eine Bedeutung für diese Stadt. Sie stehen immer hinter etwas, werden in der Not gerufen, und sind da, bis sie von allen vergessen werden.« Sie seufzte tief. »Solange nicht ich es bin, die sie ruft.«
    Federo tauchte zwischendurch auf, testete meine Kochkünste, begutachtete meine Fertigkeiten mit Nadel und Faden oder beobachtete mich beim Tanzen. Wir unterhielten uns, aber ich vermied Gespräche über wichtige Dinge. Mistress Tirelle lauerte hinter Türen, um uns zu belauschen. Wenn ich zu offen sprach oder meine Verbitterung zeigte, hatte ich in der Folge Schläge zu erwarten.
    Rückblickend hätte ich mir gewünscht, dass Federo und ich auch in meiner Sprache miteinander geredet hätten. Aber wir benutzten sie nie, und ich hatte damals nicht einmal einen Namen für sie. Er kannte einige der Worte, denn wir hatten so gesprochen, als er mich von Papa fortbrachte.
    Mistress Tirelle behandelte die Worte, als wären sie eine Infektion. Federo war nicht anders.
    Meine Geschichten waren mehr und mehr in die Dunkelheit der Nächte entschwunden, wenn ich im Bett lag und mir meine frühesten Erinnerungen ins Gedächtnis zu rufen versuchte. Was immer allgegenwärtig blieb, waren Ausdauer und der Klang der Glocken.
    Die anderen Kandidatinnen bekam ich nie zu Gesicht, aber ebenso wie

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