Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
war allein verantwortlich.
Mistress Tirelles Augen trübten sich bereits. Ich kletterte den Granatapfelbaum hinauf, um meine schwarze Kleidung zu holen. Ich verlor zweimal den Halt, aber ich fand sie, wo sie sein sollte. Unten am Boden zog ich mein blutiges Nachthemd aus und warf es auf das Gesicht der Entenfrau. Dann kleidete ich mich schnell an.
Ich wusste, dass ich keine Zeit verlieren durfte. Verstümmelt oder nicht, sie würden mich jagen, aber ich gehörte nun mir selbst. Niemandem sonst. Voller Wut kletterte ich zum Balkon empor und auf das Kupferdach meines Hauses. Von dort erreichte ich den Wehrgang auf der Blausteinmauer. Ich konnte bereits aufgeregte Rufe aus dem Inneren des Faktorhauses hören.
Als ich zu der Ecke rannte, an der ich nach unten klettern konnte, stolperte ich erneut. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen, und mir war schlecht vom Schock und der Furcht und dem Blutverlust. Als ich mich über die Mauer schwang, verlor ich den Halt und stürzte auf das Kopfsteinpflaster der Straßen hinab. Der Aufprall war hart, aber nicht tödlich. Ich rollte mich auf den Rücken und lag heftig keuchend still, während Alarmgongs im Haus des Faktors erklangen.
Ein silbrig bepelztes Gesicht beugte sich über mich. »Komm jetzt mit mir«, sagte meine Tanzmistress, »wenn du den Morgen noch erleben willst.«
»Nein«, erwiderte ich in meiner Sprache. »Ich will nichts mehr von dir.«
Sie packte mich am Arm. »Sei keine Närrin. Wirf nicht weg, was immer du glaubst, gewonnen zu haben, und dein Leben dazu.«
Noch immer geschockt von dem Mord, den ich gerade begangen hatte, erhob ich mich und stolperte hinter ihr her. Ich murmelte Flüche in meiner Muttersprache, als wir durch die nächtlichen Straßen von Copper Downs eilten. Ich war sicher, sowohl Ausdauer als auch meine Großmutter würden sich meiner schämen.
Ich zitterte, als wir eine Unterführung zu einem Eingang in die Unterwelt hinabstiegen. Dieser war neu für mich. Die Nacht war nicht so kalt, aber ich fror innerlich.
Das Knacken von Mistress Tirelles Genick ließ mich nicht los. Der Tritt war hoch gewesen, nicht zur Verteidigung – ich hatte nicht vorgehabt, sie nur niederzuschlagen.
Worte, ich wollte mit Worten meinen Sieg erringen. Doch ich hatte ihr das Leben genommen.
Das war ein Diebstahl, den niemand wiedergutmachen konnte. Ich hatte nicht nur ihr Leben beendet, sondern auch meines. Ich hatte alles weggeworfen, was ich in Copper Downs gekannt hatte, fast alles, an das ich mich je erinnern konnte.
Ich wollte nur ausbrechen. Das war der Grund, warum meine Wangen und Ohren noch brannten wie heiße Kohlen und die Pein mir fast die Gedanken raubte. Damit, dass ich mich entstellte, hatte ich die Pläne des Faktors und seines Herrn, des Herzogs, zerstört.
Aber ein Leben.
Es spielte keine Rolle, dass sie mich schrecklich behandelt hatte. Ich war eine Sklavin, ein Tier und Arbeit für sie. Nie ein wirkliches Mädchen. Nie eine Person.
Dann tötete ich sie. Da hatte ich mich wirklich gefühlt, wenigstens für die Dauer ihrer letzten Augenblicke.
Wir bewegten uns rasch in den Untergrund. Die Gänge waren eng und niedrig und glitschig, wie häufig nahe der Oberfläche. Die Tanzmistress trug eine Hand voll modriges Bleichlicht, in dessen Schein ich ihr gut folgen konnte. Darüber hinaus war ich ausschließlich mit meinem eigenen Elend beschäftigt.
Sie schlüpfte durch eine Tür in einen größeren Korridor. Ich folgte, als mich jemand am Arm ergriff. Ich schrie in Panik auf.
Die Tanzmistress wirbelte herum. Was immer sie sagen wollte, blieb ungesagt.
Mutter Eisen hielt mich mit einem Griff, der ihrem Namen Ehre machte. Ich blickte ihr in die Augen. Sie glühten orange-weiß, wie die heißesten Kohlen.
»Es beginnt also.« Mutter Eisens Stimme klang rostig. Ihr Atem war wie ein Windstoß aus weiter Ferne und roch nach abgestandener Luft.
»Wir müssen uns beeilen«, antwortete die Tanzmistress leise, »um einen Vorsprung vor den Jägern zu gewinnen, die sich bereits versammeln.«
Das alte Weibsgeschöpf – ich musste an Septios schlafende Götter denken – drückte meinen Arm erneut. »Geh deinen Weg und lass dich nicht unterkriegen«, sagte sie zu mir. Dann war Mutter Eisen verschwunden wie Nebelschleier in der Morgensonne.
Die Tanzmistress nahm meine Hand. »Das habe ich nicht erwartet. Geht es dir gut?«
Ich versuchte zu antworten, brachte aber nur ein Lachen hervor.
Ihre Augen verengten sich zu glänzenden Schlitzen. Sie
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