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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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den Safranturm als Reiseziel. Das waren alles die vollkommen falschen Richtungen für mich.
    Ein Schild tauchte vor mir auf. Darauf stand in wackliger Handschrift: »Zu den Sonnenländern im Süden. Laufen Kalim, Chitta und Gewürzhäfen an.«
    Ich ging zur Landungsbrücke. Das Schiff hatte drei hohe Masten, keinen Schornstein und keine Anzeichen eines Kessels unter Deck, wie ich es von der Schicksalsvogel her kannte. Ein Mann mit so dunkler Haut wie meine stand dort. Er war wie ein Seemann gekleidet. Er hatte ein langes Brett, an dem Papiere mit einer Sisalschnur befestigt waren. Er sah mich kurz an, wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder dem Brett zu.
    »Bitte, Sir, ich möchte mitfahren«, sagte ich. Er würdigte mich keines Blickes. In Seliu fügte ich hinzu: »Ich möchte nach Hause zurückkehren.«
    Jetzt hatte ich seine Aufmerksamkeit. »Geh heim zu deiner Mutter«, erwiderte er und sagte noch einige Worte, die ich nicht kannte.
    »Sie ist ja dort«, erklärte ich. »Ich wurde gestohlen.«
    »Eine Sklavin also.« Er sah mich misstrauisch an und fügte in Petraeanisch hinzu: »Du bringst nur Ärger mit.«
    »Ärger gibt es in der ganzen Stadt«, erwiderte ich ebenfalls in Petraeanisch. »Wenn ich jetzt nicht mit deinem Schiff fahre, werde ich vielleicht keine Gelegenheit mehr haben.«
    »Und womit willst du deine Passage bezahlen, wenn ich dem Kapitän empfehle, dich mitzunehmen?«
    Ich holte tief Luft. Das war der Punkt, an dem mein Plan scheitern mochte. »Ich habe kein Geld, Sir, ich bin auf das Wohlwollen meiner Landsleute angewiesen. Mit meinen Kochkünsten wäre das Haus eines vornehmen Herrn mehr als zufrieden, und meine Fähigkeiten mit Nadel und Faden sind auch hervorhebenswert.«
    Er schnaubte, und ich sah meine Chancen schwinden. »Als Nächstes sagst du mir, dass du die Musik der Engel spielen und die Sieben Schritte der Sisthra tanzen kannst.«
    »Ich kann singen, aber nur, was ich hier an der Steinküste gelernt habe.«
    Seine Miene wurde lebendig. »Dann kennst du die Lieder von Selistan gar nicht?«
    Wieder in meiner Sprache erwiderte ich: »Ich bin sehr lange fort gewesen.«
    In der Nähe begann eine Glocke zu läuten. Jeder am Kai sah sich hastig um. Viele liefen davon. Ein Alarm also. Der Mob strömte in den Hafen.
    »Komm.« Er stapfte die Anlegebrücke hoch. »Wenn wir mit dir an Bord ablegen, wird diese ganze Diskussion überflüssig. Es ist unwahrscheinlich, dass Kapitän Shields einen blinden Passagier über Bord wirft. Vor allem, wenn du seine Zunge mit deiner Kochkunst verführen kannst.«
    Oben auf den Masten rief jemand. Seeleute trampelten an Deck. Das Schiff schlingerte leicht und begann zu treiben. Ich sah, dass ein Tau am Heck straff gespannt war. Ein Boot voller Männer hatte begonnen, das Schiff vom Kai wegzuziehen.
    Ich zupfte den Mann am Ärmel. »Bitte, Sir, wie heißt dieses Schiff?«
    Er blickte auf mich herab und begann zu lachen. »Glaub nicht, dass ich mir einen Scherz mit dir erlauben will, Kleine, aber dieses Schiff heißt Südliche Freiheit .«
    »Ah.« Ich blickte ihm ruhig in die Augen. »Aber ich bin frei.«
    »Natürlich bist du das«, antwortete er. »Im Augenblick.« Er beugte sich näher. »Ich bin Srini, der Zahlmeister. Ich muss jetzt zum Kapitän. Setz dich dort auf diese Ballen, und um alles, was dir heilig ist, willen, komm niemandem in die Quere.«
    Das Deck klirrte und knallte. Leinwand donnerte, als Segel aufgezogen wurden. Ich kauerte an Deck und erzählte mir alte Geschichten in meiner Muttersprache. Ich war auf dem Weg zu einem Hafen, von dem aus ich mit einigem Glück den Klang von Ausdauers hölzerner Glocke vernehmen konnte. Ich war auf dem Weg in die Freiheit.
    Ich war auf dem Weg nach Hause.

Rückkehr
    Srini ließ mich in der Kombüse bei einem älteren einbeinigen Hanchu-Koch arbeiten. Lao Jai hatte ein Holzbein, das er nur umschnallte, um sich an Deck zu bewegen, doch er hängte es am Kombüseneingang auf und pflegte sich dort drinnen gegen die befestigten Tische zu lehnen. Geschnitzte Drachen auf dem Bein schienen Jagd auf eine Reihe schwarzer Perlen zu machen, die in das Holz eingefügt waren. Durch die Kombüse verlief ein ausgetüfteltes System von Segeltuchbändern, die ihm bei Sturm und schwerer See Halt gaben. Ich glaube, er duldete mich am Anfang nur, weil ich klein und flink genug war, ihn nicht zu behindern.
    Ich war froh, da unten zu sein. Das Deck machte mir Angst. Ich erinnerte mich an Horizonte. Erst an jene, jenseits der

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