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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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anzusehen.«
    »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    »Solange es harmlose Gedanken wie diese sind«, bemerkte Eleanor, die gerade mit dem Hauptgang hereinkam. »Henry macht sich manchmal einen Spaß daraus, Leute mit seinen Schlussfolgerungen zu verblüffen. Mit übersinnlichen Fähigkeiten hat das nichts zu tun. Er sammelt Eindrücke und Fakten und verbindet sie zu einem Ganzen.«
    Tom hob die Augenbrauen. »Wissen Sie, woran mich das erinnert? Ich habe kürzlich zwei Romane gelesen, die ein schottischer Augenarzt veröffentlicht hat. Einer heißt Eine Studie in Scharlachrot , der andere Das Zeichen der Vier . Held ist ein Detektiv, der seine Fälle vor allem durch seine brillante Kombinationsgabe löst. Leider waren die Bücher kein Erfolg. Ich überlege, ob ich sie besprechen soll, damit sie endlich die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen.«
    Eleanor notierte sich rasch die Titel. »Das klingt interessant, ich werde sie mir gleich morgen besorgen.«
    »Schreiben Sie darüber – ich freue mich schon darauf«, sagte ihr Mann. »Es muss ja nicht immer die Bühne sein. Eine gute Kriminalgeschichte ist auch nicht zu verachten.«
    Nach dem Dessert begaben sie sich zu dritt in die Bibliothek – ein Henry Sidgwick verbannte seine Frau nicht aus diesem Refugium – und setzten sich an den Kamin. Sie tranken Brandy, und das Ehepaar ermunterte Tom, eine Zigarette zu rauchen, während sie selbst dankend ablehnten.
    »Nun …« Sidgwick lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander, wobei er Tom prüfend ansah. »Wie Sie meinen Zeilen bereits entnehmen konnten, möchte ich Ihnen einen Auftrag erteilen. Jemand ist mit einer Angelegenheit an uns herangetreten, die nicht ganz in unser Gebiet fällt. Das heißt, wir wissen noch nicht, ob es sich um unser Gebiet handelt oder nicht.«
    »Sie formulieren das sehr vorsichtig«, bemerkte Tom.
    »Richtig. Unter anderem, weil es sich bei der zu untersuchenden Person um ein Kind handelt.«
    Tom sah ihn überrascht an. »Ein Kind? Ich habe keine Erfahrung mit solchen Untersuchungen, und schon gar nicht bei Kindern.«
    Eleanor hob beschwichtigend die Hand. »Keine Sorge, Tom, wir wissen noch gar nicht, ob es sich in diesem Fall um ein parapsychologisches Phänomen handelt.«
    »Der Vater des Mädchens hat sich an uns gewandt, nachdem ihn sein Arzt an die SPR verwiesen hatte«, erklärte Sidgwick und strich sich nachdenklich den Bart glatt, der ihm bis auf die Brust reichte. »Die Kleine ist acht Jahre alt und hat im März ihre Mutter verloren. Der Vater hegt den Verdacht, dass eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen den beiden bestehen könnte.«
    Tom atmete tief durch. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Es war anregend gewesen, den Untersuchungen als Gast beizuwohnen und lesbare Berichte darüber zu verfassen; er hatte jedoch immer eine gewisse Distanz gewahrt, um sich selbst zu schützen. Seit Lucys Tod fühlte er sich angreifbar und wollte diese Dinge auf keinen Fall zu nahe an sich heranlassen. Solange er sich auf einer rein intellektuellen Ebene an diesen Untersuchungen beteiligte, konnten sie ihm nicht gefährlich werden.
    Ein Kind, das seine Mutter verloren hatte, war jedoch ein gänzlich anderer Fall. Die Sache behagte ihm nicht.
    »Tom?«, fragte Eleanor. »Was ist los?«
    Er räusperte sich und schaute auf seine Hände. »Ich weiß nicht, ob ich so etwas kann. Bisher haben immer Sie beide, Fred Myers oder Lodge mit den Medien gearbeitet und Ihre eigenen Methoden angewandt. Ich bin weder Arzt noch Naturwissenschaftler und fühle mich der Aufgabe nicht gewachsen.«
    Er meinte, eine flüchtige Enttäuschung in Eleanors Gesicht zu erkennen. Dann schaute sie ihren Mann an.
    »Mein lieber Tom, eben deshalb haben wir Sie ausgewählt«, sagte Sidgwick. »Wir alle stecken so tief in unseren Forschungen, dass wir kaum noch über den Tellerrand hinausblicken können, und sind zudem von der Arbeit mit Erwachsenen geprägt. Es würde uns schwerfallen, uns auf ein Kind einzulassen und ihm mit der nötigen Rücksicht zu begegnen.«
    »Außerdem«, ergänzte seine Frau, »verfügen Sie, wie ich weiß, über eine gesunde Skepsis. Denken Sie an Belvoir. Genau das ist vonnöten, wenn Sie dem Vater und dem Mädchen gegenübertreten. Wer weiß, was sich hinter seinen Vermutungen verbirgt? Es muss ihn Überwindung gekostet haben, sich an uns zu wenden; zudem erfordert die Angelegenheit größte Diskretion. Der Mann ist Parlamentsabgeordneter.«
    Tom hob

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