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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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die Hand. »Sollte das etwa schon bis zu Ihnen vorgedrungen sein? Schön. Aber dies ist nur der Anfang. Wie ich hörte«, er schaute sich verschwörerisch um, »lässt er sich von einem Medium beraten, das in seine Zukunft geblickt und ihm daraufhin ans Herz gelegt haben soll, Wagner-Rollen zu studieren. Ich persönlich halte nichts von solchem Hokuspokus, aber in diesem besonderen Fall muss der Mann darauf hören. Er ist für Wagner bestimmt, daran besteht kein Zweifel.« Er verneigte sich vor den beiden Damen und nickte Tom und John zu. »Meine Herren, ich empfehle mich.« Mit einer dramatischen Geste warf er das Cape über eine Schulter und stolzierte davon.
    Tom und seine Gäste sahen einander amüsiert an, nur Emma Sinclair war blass geworden. Ihre Schwester legte ihr die Hand auf den Arm. »Liebes, denk nicht mehr daran. Der Mann war unterhaltsam, aber auch recht grob.«
    »Vielleicht gibt es wirklich Menschen, die in die Zukunft blicken können«, bemerkte Miss Sinclair, eine hübsche Frau mit zarter Haut und riesigen braunen Augen. »Nicht jeder ist so wie – dieser Belvoir.« Ihre Stimme klang schüchtern, aber sie warf Tom einen auffordernden Blick zu. »Das haben Sie vorhin selbst gesagt.«
    Tom strich nachdenklich seine Serviette glatt. »In der Tat. Meine Begegnung mit Mrs. Piper hat mich sehr beeindruckt. Sie gibt sich allerdings auch nicht für solche banalen Fragen her und nimmt niemals Geld für ihre Bemühungen. Man darf sie nicht mit Menschen wie Charles Belvoir vergleichen.«
    Er spürte, dass Miss Sinclair sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte, und wechselte rasch das Thema. »Wo waren wir stehen geblieben, bevor der Paradiesvogel an unseren Tisch geflattert ist? Ach ja, das Royalty Theatre .«
    »Nicht wieder die Gespenster«, sagte Sarah.
    »Seit wann bist du so empfindlich?«, konterte ihre Schwester, die wie zu neuem Leben erwacht schien und sich angeregt zu Tom beugte. »Was haben Sie sonst noch dort gesehen?«
    »Zuletzt Thérèse Raquin von Zola. Auch nicht gerade gesellschaftsfähig. Roh und ungeschliffen, würde ich sagen, aber auch neu und spannend. Man spürt etwas von Aufbruch in diesem Theater, es versucht nicht zu gefallen, sich beliebt zu machen –« Er verstummte abrupt. »Verzeihung, ich habe mich von meinen eigenen Worten hinreißen lassen.«
    Miss Sinclair lächelte. »So wie heute habe ich Sie noch nie erlebt, Mr. Ashdown.«
    Ihre Schwester zog die Augenbrauen hoch und schaute belustigt zu ihrem Mann, der zufrieden nickte.
    »Das ist sein eigentliches Ich, liebe Emma«, bemerkte er. »Ungestüm, das Herz auf der Zunge, mit Worten den Gedanken immer einen Schritt voraus …«
    Tom hob lachend sein Glas. »Darauf trinke ich.«
    In der Tat, so hatte er sich selbst schon lange nicht mehr erlebt.
    Toms beschwingte Stimmung hielt an, nachdem er sich von seinen Freunden verabschiedet hatte und zu Fuß den abendlichen Strand entlangging. Ihm war noch nicht danach, in einen Wagen zu steigen und nach Hause zu fahren, dazu liebte er London zu sehr, vor allem um diese Tageszeit. Die herbstliche Kälte machte ihm nichts aus. Tom konnte sich nicht vorstellen, in einer kleineren Stadt oder gar auf dem Land zu leben; er brauchte die Elektrizität der Großstadt, das unablässige Summen, das alle anderen Geräusche überlagerte und durchdrang. Aber er liebte auch die stillen Momente, die Straßen, in denen sich seit Shakespeares Tagen nichts verändert zu haben schien; die Vororte, die auch heute noch wie Dörfer anmuteten, wenngleich die unerbittliche Metropole ihre gierigen Fänge nach ihnen ausstreckte.
    Er zündete sich eine Zigarette an und schlenderte langsam weiter, bis sich die Straße verbreiterte und wie ein dahinströmender Fluss die hübsche Kirche von St. Clement Danes umrahmte. Tom warf im Vorbeigehen einen Blick auf Christopher Wrens hohen, schlanken Turm, der wie ein Vorbote seines majestätischen Bruders im Osten in den Himmel ragte. Dann bog er nach rechts in die schmale Milford Lane, die zur Themse hinunterführte. Nur wenige Laternen erhellten die Gasse, die an den Temple mit seinen ehrwürdigen Gebäuden grenzte. Eine Stille lag über allem, wie sie wohl in den Tagen der Tempelritter geherrscht haben mochte, die der Gegend ihren Namen und die kreisrunde Kirche hinterlassen hatten.
    Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Er warf einen Blick über die Schulter, konnte aber niemanden entdecken. Kopfschüttelnd ging er weiter. Vielleicht beschäftigte er sich in

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