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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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dabei die Zungenspitze zwischen die Zähne schob.
    Als ich die Augen wieder aufschlug, hockte Mae auf mir und hauchte mir ihren alkoholisierten Atem entgegen. »Die Männer hättest du sehen sollen«, zwitscherte sie. »Ein gut aussehender Kerl neben dem anderen, und so aufmerksam!«
    Â»Leg dich schlafen, Mae«, murmelte ich, denn es zog mich zurück in meine Träume, in denen ich den Sohn eines Blutsaugers küsste.

23. Oktober 1871 • THE EVENING STAR
    DIE LEGENDE VON STUYVESANTS BIRNBAUM
    Von DANIEL CHARLES ,
exklusiv für den Evening Star
    P eter Stuyvesant pflanzte einst einen Birnbaum. Da schrieb man das Jahr 1647.
    Die wundersamen Kräfte des Baumes zeigten sich damals schon, als er noch zur Rast an einem gewundenen Pfad zum Gemeinschaftsbrunnen lud. Jeden Tag ruhte eine junge Magd, Abigail Fish, unter seinem Geäst. Wenn sie mit vollen Krügen nach Hause ging, vergaß sie nie, einen großzügigen Schwall über die Wurzeln des Baumes zu gießen und ihn mit einem schlichten Vers zu segnen. Bald schon grüßte sie den Baum auf ihrem Hinweg und dem Heimweg; er wurde zu einem guten Freund, dem sie die teuersten und geheimsten Herzenswünsche anvertraute.
    Eines Tages wagte sie es, eine Frage an den Baum zu richten: »Ob mir bald ein hübscher Bursche begegnen wird?« Das Mädchen schwor, es habe im Rauschen der Blätter eine Antwort vernommen: »Ja.« Es war so verblüfft, dass es ein zweites Mal die Frage stellte. Der Baum antwortete wiederum: »Ja.« Das Mädchen fragte ein drittes Mal. Und es kam dieselbe Antwort. Abigail Fish schloss die Augen und dachte: »Aller guten Dinge sind drei …«
    Die junge Magd lief gleich nach Hause und erzählte ihrer Mutter von dem Wunder. Die jedoch verriegelte die Tür, trat zu ihrer Tochter und verschloss auch deren Mund. »Hör mir gut zu, mein Kind. Du warst mir immer eine ehrliche und gute Tochter, und so habe ich keinen Grund, an dir zu zweifeln. Aber du darfst keiner Menschenseele je erzählen, was dir an Governor Stuyvesants Baum widerfahren ist. Schwöre es mir, bitte.«
    Das Mädchen schwor es seiner Mutter an dem Tag, doch es hielt den Eid nicht. Als ein hübscher junger Mann, Master Willmott Rudd, darum bat, sie zum Brunnen zu begleiten, konnte Abigail nicht an sich halten und erzählte alles. Danach flehte sie ihn an: »Wirst du mein Geheimnis wahren?«
    Â»Nur, wenn du mir einen Kuss gibst«, verlangte Willmott.
    Abigail Fish schloss die Augen und erlaubte Willmott Rudd, sie zu küssen.
    Am nächsten Morgen klopfte der Vater des Jungen, Thomas Rudd, an die Tür.
    Â»Guten Morgen, Mr. Rudd«, sagte Mrs. Fish zum Gruß.
    Â»Ich wünschte, das könnte ich zu Ihnen sagen. Mein einziger Sohn ist von einem Fieber befallen, und ich fürchte, Ihre Tochter trägt daran die Schuld.«
    Â»Meine Tochter? Wie wäre das möglich?«
    Â»Die Antworten auf einige schlichte Fragen dürften es erklären. Ob ich wohl das Mädchen sehen darf?«
    Doch Mr. Rudd wartete nicht auf ihr Einverständnis, sondern stürmte durch das Haus und packte Abigail. Er zerrte das Mädchen auf die Straße, gefolgt von Mrs. Fish. Als Mr. Rudd die junge Abigail in seine Scheune stieß, auf dass sie dort dem Richter und zwölf Männern aus der Gegend Rede und Antwort stehe, weinte Mrs. Fish ganz fürchterlich.
    Â»Hast du, Abigail Fish, gestern mit Willmott Rudd unter Mr. Stuyvesants Birnbaum gestanden?«
    Â»Ja.«
    Â»Hast du, Abigail Fish, gestern deine Lippen auf die von Willmott Rudd gelegt?«
    Â»Ja.«
    Â»Hast du, Abigail Fish, Willmott Rudd erzählt, du habest ein göttliches Gespräch mit Mr. Stuyvesants Birnbaum gehabt?«
    Â»Ja.«
    Â»Stellst du, Abigail Fish, die Weisheit eines Baumes über die unseres Herrn?«
    Hier hielt Abigail inne. Sie schaute zu ihrer Mutter, ein Flehen um Vergebung lag in ihrem Blick, dann erwiderte sie: »Ich halte beider Weisheit für ein und dasselbe.«
    Dies war das Ende von Abigail Fish.
    Â»Es fand sich bestätigt, dass die Anklage gegen besagte Abigail Fish zu Recht besteht und dass sie, da es ihr an Gottesfurcht mangelt, auf bösartige, hinterhältige und verbrecherische Weise jene verabscheuungswürdigen Künste namens Hexerei und Zauberei an Master Willmott Rudd praktizierte und versuchte. Ebenso wird die Angeklagte verdächtigt, Master Rudd gefoltert,

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