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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Kutsche, damit Mrs. Riordan den Weg zurück zur Chrystie Street nicht laufen musste. Ihre fürsorgliche Art der alten Frau gegenüber, einer völlig Fremden, bedeutete mir unsagbar viel.
    Â»Ruh dich etwas aus«, riet mir Mrs. Riordan und umarmte mich ein letztes Mal. »Es war eine lange Nacht, und es werden viele weitere kommen. Verliere nicht den Glauben. Am Ende wird der Geist deiner Mama ermüden, und sie geht an den Ort, den der Herr ihr vorgesehen hat.«
    Als sie fort war, nahm mich Miss Everett bei der Hand und brachte mich ins Bett. Sie wies Alice und Mae an, die schon wach waren, sich leise anzukleiden und mich in Ruhe schlafen zu lassen.
    Ich weinte den ganzen Morgen lang, aus Traurigkeit, Wut und Verwirrung. Schließlich fiel ich erschöpft in einen kummervollen Traum, der Mama zu mir heraufbeschwor.
    Ihr Geist stand am Ende meines Bettes, nur mit Pantalons und einem alten, fadenscheinigen Korsett bekleidet. Sie trug Austernschalen im Haar, zu ihren Füßen zappelten Mr. Hetheringtons Goldfische und schnappten nach Luft. Brackwasser rann ihr an den Fingern hinunter und wurde, als es sich auf dem Boden sammelte, zu Blut. Ihr Mund war schwarz von Tod.
    Â»Weißt du, dass ich dich geliebt habe, Mama?«, fragte ich ihren Geist und zerrte die Decke an meine Brust. »Ich hatte genug Liebe für uns beide in mir …«
    Sie schwebte mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, so als wollte sie alles gutmachen, sie kam ganz nahe, doch dann hielt sie inne.
    Â»Wer hat dir dein Haar geraubt?«, fragte sie mit schreckensverzerrter Miene.
    Ich zog wild an meinen Locken. »Mrs. Wentworth hat es mir geraubt, aber es wächst schon, Mama, siehst du nicht? Es wächst jeden Tag.«
    Â»Als Nächstes raubt sie dir die Sinne …«, klagte Mama, immer wieder sagte sie die Worte, und so wurden sie zu einem Bannspruch: Raubt sie dir die Sinne, raubt sie dir die Sinne, raubtsiedirdieSinne … Dann verwandelte sich ihr Gesicht. Es wurde gesünder, runder, plumper, bis ich Mrs. Wentworth vor mir sah.
    Ihre Schere wie einen Dolch über den Kopf erhoben, schrie sie: »Du gehörst noch immer mir, Miss Fenwick!«

Und so begann Johannes, seinem vielversprechenden Plane festen Entschlusses zugetan, sich nach einem Medium umzutun, das mit dem Reich der höheren Wesen verkehrte und ihm die Bekanntschaft mit dem einen oder anderen Geiste verschaffen könnte.
    Q. K. Philander Doesticks:
Die Hexen von New York , 1859
    XX
    E ine kurze Weile zeigte Miss Everett mir gegenüber große Fürsorge und Teilnahme. Sie gestattete mir, den Tag zu verschlafen, und abends wies sie Mrs. Coyne an, mir heiße Milch und Haferkekse zu bereiten, die ich im Bett zu mir nehmen durfte.
    Alice vermied jedes Thema, das mich noch mehr aufgebracht hätte, betrachtete die Modetafeln in Godey’s Lady’s Book und sprach endlos lange über Ausschnittformen und Stoffmuster. »Ich hoffe doch, dass der Prinzessinnenschnitt auch im nächsten Jahr noch tragbar ist, du nicht?«
    Mae hingegen war sehr unverblümt. »Wenn ich geahnt hätte, dass Miss Everett so reizend sein kann«, höhnte sie, »hätte ich längst irgendeiner alten Schachtel Geld gegeben, damit sie kommt und meine Ma für tot erklärt.« Ihre Bitterkeit kam nicht von ungefähr – Miss Everett hatte das mit Maes Ausflügen in die Bowery Concert Hall herausgefunden (zumindest hegte sie einen starken Verdacht).
    In der Nacht nach Mrs. Riordans Besuch war Mae nämlich recht laut durch das Fenster zurück ins Haus gepoltert, Miss Everett war daraufhin in unser Zimmer gestürmt und hatte Mae erklärt, wenn sie selbst nicht auf ihre Sicherheit achten könne, dann bliebe ihr, Miss Everett, eben nichts anderes übrig, als diese Aufgabe für Mae zu übernehmen. »Du bist nicht mein Kind«, hatte sie geschimpft. »Du bist meine Hure.«
    Â»Beinahe-Hure«, hatte Mae trotzig geflüstert, nachdem Miss Everett das Zimmer verlassen hatte.
    Seither hatte Cadet Order, Mae tagsüber im Auge zu behalten und bei Nacht auf dem Dach bis zur Sperrstunde Wache zu schieben.
    Ich war neidisch auf Mae, weil sie ihm so nahe war, und Cadet tat mir leid, wenn er dort draußen in der Kälte stand und sich mit hochgestelltem Kragen vor dem Wind schützte. Mae versuchte ihn zu überreden, seinen Posten aufzugeben, und versprach ihm für jede freie Nacht eine Stunde Zuwendung. Sie war

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