Der verbotene Kuss
nicht mit diesen jungen Damen, die mit irgendwelchen Männern das Weite suchten, um ohne die Billigung der Eltern zu heiraten?
Er musste der am meisten vom Pech verfolgte Mann auf Erden sein. Ungeachtet seiner Bemühungen, sich vernünftige, langweilige Frauen auszusuchen, fand er nur solche, deren sittsames Gehabe wilde Leidenschaft maskierte. Bei seinen Heiratsanträgen war Leidenschaft nie im Spiel gewesen, aber er hatte auch stets angenommen, eine vernünftige Frau lege keinen Wert auf dieses unbeständige Gefühl. Offensichtlich hatte er sich getäuscht.
„Mit wem ist Ihre Tochter durchgebrannt?“ fragte er.
Sir Richard nahm seiner Gattin das Cognacglas weg und leerte es bis zur Neige. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab. „Mit Mr. Gérard, unserem Verwalter.“
Mit dem Verwalter! Sie war mit einem Mann auf und davon, den sie schon seit einiger Zeit gekannt haben musste. Plötzlich hatte Ian das grässliche Gefühl, er sei düpiert worden. „Hat es früher zwischen ihr und Ihrem Verwalter eine Beziehung gegeben, Sir?“
„Ja“, antwortete Sir Richard.
„Nein!“ rief seine Gattin gleichzeitig aus.
Finster schaute er sie an. „Warum erzählst du Lord St. Clair nicht alles, meine Liebe? Ich glaube nicht, dass dir gefallen würde, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.“
Erbost sah sie ihren Mann an und richtete den Blick dann auf den Viscount. „Wissen Sie, Sir, meine Tochter hat sich schon vor Jahren eingebildet, in Mr. Gérard verliebt zu sein. Ich habe meinem Gatten geraten, ihn zu entlassen, doch er war der Meinung, zwischen Katherine und Mr. Gérard würde sich nichts entwickeln. Er meinte, das sei eine Jungmädchenschwärmerei, die sie bald vergessen würde. Und aus einem so albernen Grund wollte er seinen guten Verwalter nicht verlieren. Sie hat ihre Schwärmerei jedoch nicht auf-gegeben. Im letzten Jahr hatte Mr. Gérard die Stirn, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Natürlich war mein Mann nicht einverstanden. Mr. Gérard erfüllte einfach nicht die nötigen Voraussetzungen, was seine Herkunft und sein Vermögen angeht.“
„Für dich ist so etwas wichtig!“ warf Sir Richard ein. Lady Hastings schnaubte geringschätzig. „Streite dich nicht mit mir, Richard! Du weißt, dass es richtig von mir war, auf diesen Voraussetzungen zu bestehen. Du hättest Mr. Gérard in dem Moment, da er bei dir um die Hand unserer Tochter angehalten hat, sofort entlassen müssen.“
Sir Richard lehnte sich an die Anrichte. „Ich hielt ihn für ehrenhaft. Außerdem befürchtete ich, dass er, wenn ich ihn entlasse, sich nur noch mehr versucht fühlen könnte, mit unserer albernen Tochter durchzubrennen. Ich war der Meinung, er würde, wenn ich ihn behielt, nicht seinen Posten riskieren. Er und Katherine schienen sich mit dieser Situation abgefunden zu haben.“ Er warf dem Viscount einen entschuldigenden Blick zu. „Als Sie dann erschienen und Katherine ihre Aufmerksamkeiten hinnahm, dachte ich, sie hätte die Jungmädchenschwärmerei überwunden. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr Werben um sie ihr nicht genehm war.“
Ian musste den Baronet nicht fragen, was er damit meinte. Offensichtlich hatte er die Angst unterschätzt, die Miss Hastings vor ihm hatte.
Die Baronetess fuchtelte mit der Hand, als wolle sie die Äußerungen ihres Gatten auslöschen. „Mein Mann weiß nicht, wovon er redet. Katherine war sehr mit Ihnen einverstanden, bis . . .“
Sie hielt inne, und Ian wurde noch unbehaglicher zu Mute. Er ahnte, worauf das Gespräch hinauslaufen würde.
„Bis dieser elende Artikel in der Zeitung erschien“, vollendete Lady Hastings den Satz, und zwei hektische rote Flecken erschienen auf ihren gepuderten Wangen. „Ich weiß, junge Männer müssen sich die Hörner abstoßen, aber hätten Sie nicht etwas diskreter sein können, Sir? Nachdem Mr. Gérard den Artikel gelesen hatte, stürzte er zu uns in den Salon und hielt uns vor, wir hätten vor, seinen Engel an einen liederlichen Schuft zu verheiraten, der ihre Qualitäten nicht zu schätzen wisse.“
Ian stöhnte auf. Er hatte gewusst, dass der besagte Arti-kel ihm nichts als Ärger einhandeln werde. Zum Teufel mit Miss Taylor, diesem Schmierfinken!
Lady Hastings seufzte. „Natürlich habe ich Mr. Gérard in seine Schranken gewiesen, und mein Mann hat ihn, meiner Ansicht nach viel zu spät, entlassen. Aber geholfen hat das nichts. Meine süße, pflichtbewusste Tochter war von Mr. Gerards galantem Eintreten für sie beeindruckt.
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