Der verbotene Kuss
Raum.
Felicity kämpfte gegen die Angst an. Denn ungeachtet ihrer kühnen Worte und des Umstandes, dass sie sich eingeredet hatte, er wolle sie nur unter Druck setzen, war sie sicher, dass er seine Drohung ernst meinte.
Und in ihrem Leben brauchte sie jetzt alles andere als einen gefährlichen Lord.
4. KAPITEL
Man muss nur an die Ehen zwischen Miss Hinton und Mr. Bartley sowie zwischen Lady Anne Bowes und Mr. Jessup denken, um zu begreifen, warum neuerdings den Eltern davongelaufene Paare die nach Gretna Green führende Straße bevölkern. Wenn hochnäsige Papas ihre Töchter mit alten Herren verloben und anständige junge Männer nicht über das Geld verfügen, um habgierige Mütter zu befriedigen, dann müssen solche Paare dem Ruf ihres Herzens nach Schottland folgen.
Lord X in der Evening Gazette vom 8. Dezember 1820
Tief in Gedanken stieg Ian zielstrebig in der Stadtresidenz der Taylors die mit einem Teppich belegte Treppe hinunter. Eine neue Strategie war geboten. Denn wenn Miss Taylor glaubte, er würde einfach aufgeben, dann war sie nicht nur eine spitzzüngige, selbstherrliche alte Jungfer, sondern auch eine Närrin.
Er ließ nie etwas in der Luft hängen, und die Sache mit der scheinheiligen Miss Taylor gehörte ganz gewiss zu den Dingen, die nicht unerledigt bleiben durften. Er bezweifelte, dass sie, wenn er ihre lächerlichen Äußerungen über Männer seines Standes in Betracht zog, sich aus dieser Angelegenheit halten werde, erst recht nicht, falls Miss Hastings ihre Warnung ignorieren und ihn heiraten sollte. Was würde sie dann tun? Miss Greenaway so lange belästigen, bis sie alles von ihr erfahren hatte? Oder würde sie es sogar wagen, in seiner Vergangenheit herzumzustöbern?
Nein, er musste ihr sofort das schändliche Handwerk legen. Aber wie sollte er jemandem Einhalt gebieten, für den es ein heiliges Anliegen war, Lebemänner und Schürzenjäger bloßzustellen? Bedauerlicherweise war sie viel zu intelligent, um manipuliert werden zu können. Das hatte sie bewiesen, nachdem er die unsinnige Geschichte erzählt hatte, Miss Greenaway sei die Schwester eines mit ihm befreundeten, auf dem Schlachtfeld gefallenen Soldaten. Drohungen funktionierten auch nicht. Die schmächtige Frau hatte sogar gewagt, ihm zu drohen!
Im Entree angelangt, nahm er Hut und Mantel vom Kleiderständer und sah Mrs. Box ins Vestibül kommen. Sie war jemand, den er sich zu Nutzen machen konnte. Und sie wusste noch nicht, wer er in Wirklichkeit war.
„Haben Sie mit dem Hausherrn gesprochen, Sir?“ fragte die Haushälterin sichtlich belustigt.
„Sie kennen die Antwort, Mrs. Box“, antwortete er vorwurfsvoll. „Sie haben mich sehr geschickt an der Nase herumgeführt. “
Mrs. Box' faltige Wangen röteten sich. „Ich weiß, das war ungezogen von mir. Aber da ich dauernd hinter den drei Schrecken von Taylor Hall her sein muss, bin ich in meinem Alter genau so hinterlistig geworden wie sie.“
„In Ihrem Alter?“ fragte Ian leichthin. „Sie sind doch höchstens vierzig Jahre alt.“
Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Aber, aber, Mr. Lennard! Sie wissen genau, dass das nicht stimmt. Sie sind ein Schmeichler. “
„Das bin ich nur, wenn ich eine schöne Frau vor mir habe. Und wie kann ich der Versuchung widerstehen, wenn dieses Haus voller schöner Frauen ist?“
Mrs. Box' Lächeln schwand. „Sie haben doch Miss Taylor nicht schöngetan, nicht wahr? Das mag sie nicht. Sie hat Mr. Winston der Dinge wegen, die er zu ihr gesagt hat, ziemlich heftig zur Ordnung gerufen.“
„Das kann ich mir denken“, erwiderte Ian trocken. „Es liegt ihr eindeutig, Männer zurechtzuweisen.“
„Das tut sie aus gutem Grund. Sie machen ihr dauernd unziemliche Avancen.“ Misstrauisch beäugte die alte Frau den Besucher. „So etwas haben Sie doch nicht getan, nicht wahr?“
Er hoffte, seine entrüstete Miene möge überzeugend wirken. „Schämen Sie sich, Mrs. Box! Ich bin ein Gentleman! Eine Dame würde ich nie schlecht behandeln. “
Doch genau das hatte er tun wollen. Oh ja! Er hatte nicht nur den überwältigenden Drang verspürt, Miss Taylor ei-
genhändig zu erwürgen, sondern sich auch stark zu ihr hingezogen gefühlt. Trotz ihrer ärgerlichen Einfälle verstand sie es gut, einen Mann dazu zu bringen, Gelüste für sie zu empfinden. Sie wurden durch ihr Haar geweckt, das so ausgesehen hatte, als sei sie soeben dem Bett entstiegen. Und ihre rosigen Lippen verlockten dazu, sie zu küssen.
Ian setzte den Hut auf
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