Der verbotene Kuss
richtig zu behandeln. Wenn sie auch nur einen Funken Verstand hatte, würde sie jetzt die Flucht ergreifen.
Wie schade, dass sie nicht fliehen konnte.
„St. Clair kommt zu uns, meine Liebe“, sagte Lady Bramley. „Soll ich Sie ihm vorstellen?“
„Nein, danke. Wir kennen uns bereits.“ Zweifellos würde die Marchioness sehr viel aus dieser Antwort machen. Sie war nicht sechzig Jahre alt geworden, ohne gelernt zu haben, wie man aus einem Minimum von Kenntnissen eine Fülle von Klatsch machen konnte. Für Felicity war sie eine große Stütze, was die Hälfte des Materials für ihre Kolumne betraf. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob Lady Brumley ahne, wer in Lord X’ Schuhen steckte.
Gott wusste, dass Felicity sich jetzt wünschte, dieser Mensch möge jeder andere, nur nicht sie sein.
Dann war der unangenehme Viscount bei ihr und lächelte so alarmierend, dass sie kaum fähig war, sein Lächeln zu erwidern. Er nickte kurz der Marchioness zu und verneigte sich dann vor Felicity. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, Miss Taylor, mit mir zu tanzen?“
Der Halunke! Er wollte sie auf das Parkett entführen, damit er sie ausschimpfen konnte. Er wusste genau, dass sie ihm keinen Korb geben konnte, weil Lady Bramley Auge und Ohr war.
Nun, irgendwann musste sie seinen Zorn über sich ergehen lassen. „Es wäre mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu tanzen“, log sie und reichte ihm die Hand. Sie wäre jedoch glücklicher gewesen, hätte sie ihn nie kennen gelernt.
Galant führte er sie auf die Tanzfläche, ergriff ihre Hand und legte seine andere auf ihre Taille.
Sie stöhnte auf. Gott bewahre! Sie hatte eingewilligt, einen Walzer zu tanzen. Walzer zu tanzen war nicht ihre größte Stärke. Im Allgemeinen ließ ihre Fähigkeit zu tanzen sehr zu wünschen übrig. Bei einer Quadrille konnte sie jedoch ihre falschen Schritte vertuschen. Bei einem Walzer war das nicht möglich.
„Lord St. Clair“, begann sie in der Absicht, ihn zu warnen. Er hatte jedoch schon zu tanzen begonnen. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei zählte sie in Gedanken mit und versuchte angestrengt, keinen falschen Schritt zu machen, um nicht zu stolpern.
„Miss Taylor“, erwiderte der Viscount.
„Pst!“ äußerte sie und warf den anderen Paaren, die die Schwierigkeiten der Walzerschritte so geschickt beherrschten, einen neidischen Blick zu. „Ich zähle mit!“
„Sie zählen?“
„Das Taktmaß. Ich tanze sehr schlecht Walzer.“
Misstrauisch betrachtete Lord St. Clair sie. „Sie scherzen.“
Aus Versehen trat sie ihm auf den Fuß. „Es tut mir Leid“, entschuldigte sie sich und versuchte, wieder in den Takt zu geraten.
Seine Lordschaft zog sie mit sich mit und schwieg, bis sie wieder im Takt war. „Wie kommt es, dass Sie nicht gut Walzer tanzen? Sie sind doch an jedem Abend bei irgendeinem gesellschaftlichen Anlass.“
„Ja, aber dann tanze ich nicht.“ Felicity klammerte sich an Lord St. Clairs Oberarm. Vielleicht konnte Seine Lordschaft sie einfach durch den Raum tragen. Er war kräftig genug. Außerdem hatte sie jeden Anschein der Damenhaftigkeit bereits dadurch zunichte gemacht, dass sie sich wie eine Ertrinkende an ihn klammerte.
Da er nichts erwiderte, wagte sie es, ihm ins Gesicht zu sehen.
Seine Miene war unergründlich, sein Blick ausdruckslos. „Ach, ich vergaß. Sie gehen nur dort hin, um Klatsch zu hören.“
„Um Material zu bekommen.“ Seine Herablassung und die Tatsache, dass er so mühelos Walzer tanzen konnte, irritierten Felicity „Sie suchen eine Gattin, die Ihnen viele Kinder schenkt. Ich begreife nicht, warum das akzeptabler sein soll.“
„Viele Kinder? Haben Sie das heute Nachmittag erfahren, als Sie Sara aushorchten?“
Felicity stolperte und wurde vom Viscount aufgefangen. Gerade noch rechtzeitig geriet sie wieder in den Takt, so dass sie nicht mit einem anderen Paar zusammenstieß. Sie brauchte einen Moment, um die Fassung wieder zu erlangen. „Ich habe Lady Worthing nicht ausgehorcht. Sie hat mir diese Information gegeben.“
„Und Sie haben Ihre üblichen Schlussfolgerungen aus Andeutungen und Anspielungen gezogen?“
„Sie suchen also nicht nach einer Gattin, die Ihnen einen Erben schenkt?“
Längeres Schweigen trat ein, in dessen Verlauf Felicity sich beim Tanzen der breiten Brust des Viscounts bewusst wurde, seiner männlichen Ausstrahlung, seiner muskulösen Arme. Plötzlich zog er die Hand von ihrer Taille fort und legte sie etwas tiefer auf ihren Rücken. Das war sehr
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