Der verbotene Kuss
unschicklich, obwohl sie begriff, dass er sie in Anbetracht ihrer schlechten Tanzkünste auf diese Weise besser führen konnte.
Sie rückte etwas von ihm ab und verlor fast das Gleichgewicht. Der Druck seiner Hand verstärkte sich. Als sie ihm in die Augen schaute, sah sie, dass er sie belustigt betrachtete.
„Sie können wirklich nicht Walzer tanzen, nicht wahr?“ fragte er.
„Haben Sie gedacht, ich hätte das erfunden?“
„Warum nicht? Sie denken sich doch sonst so viel aus.“ „Die Gründe, warum Sie eine Gattin brauchen, habe ich mir nicht ausgedacht“, erwiderte sie, weil sie wollte, dass er ihre vor einer Weile gestellte Frage beantwortete.
Er seufzte übertrieben. „Natürlich brauche ich eine Gattin, die mir einen Sohn schenkt. Das ist der Grund, weshalb die meisten adligen und vermögenden Männer eine Gattin brauchen. Ich nehme an, das werde ich in der nächsten Evening Gazette lesen, nicht wahr?“
Felicity fühlte sich inzwischen so wohl, dass diese Spitze sie nicht aus dem Takt brachte. „Sie haben wirklich eine viel zu hohe Meinung von sich, Mylord. Es gibt interessantere Dinge, über die ich schreiben kann, als Ihr Werben um irgendeine Frau.“
„Ja, zum Beispiel Miss Hastings' Flucht.“
Endlich hatte er die Sprache darauf gebracht. Den Blick auf sein kunstvoll geschlungenes Krawattentuch gerichtet, fragte Felicity: „Was sollte ich über Miss Hastings’ Flucht schreiben? Jedermann weiß bereits darüber Bescheid. Außerdem ist es nicht mein Bestreben, das Leben von Menschen zu ruinieren, ganz gleich, was Sie in dieser Hinsicht denken. Schließlich ist Miss Hastings meine Freundin.“ „Sie haben sie bereits dadurch gedemütigt, dass Sie über meine angebliche Mätresse geschrieben haben. Wieso sträuben Sie sich, über ihre Flucht zu reden?“
Die ungerechte Unterstellung tat weh. „Ich räume ein, dass mein Artikel Katherine einiges Unbehagen bereitet ha-ben muss, aber lange hat es ganz eindeutig nicht angehalten. Das Endergebnis war ihr Glück.“
„Sind Sie dessen so sicher? Dieser Verwalter, mit dem sie durchgebrannt ist, entspricht Ihren hohen Erwartungen?“ „Ich kenne ihn nicht, bin jedoch überzeugt, dass er nett ist, und Katherine glücklich machen wird.“
„Ich verstehe. Das bedeutet, dass die Flucht der beiden Sie ebenso erschüttert hat wie mich.“
Verdammt! Lord St. Clair war so blasiert und konnte viel zu gut Gedanken lesen. „Überhaupt nicht! Zumindest hat Mr. Gérard behauptet, Katherine zu lieben, was mehr ist, als man von Ihnen sagen kann.“
„Sie haben auf alles eine Antwort, nicht wahr? Aber ich kenne Sie, Miss Taylor. Sie glauben ebenso wenig an die wahre Liebe wie ich.“ Er zog sie enger an sich.
Sie versuchte, von ihm abzurücken, vermochte es jedoch nicht. „Ich mag nicht sehr gut Walzer tanzen, aber müssen Sie mich so eng an sich drücken? Das geziemt sich nicht.“
„Nein.“
Da der Viscount sie trotz ihrer Kritik weiterhin fest an sich gedrückt hielt, forderte sie ihn auf: „Würden Sie mich freundlicherweise nicht so fest an sich pressen?“
Er reagierte nicht.
Da er keine Anstalten machte, ihrem Wunsch zu entsprechen, dämmerte es ihr, dass sein Verhalten nichts mit ihren Tanzkünsten zu tun hatte. „Warum tun Sie nicht, worum ich Sie gebeten habe?“
„Es wäre längst nicht so erfreulich, wenn ich Sie auf Armeslänge von mir abhalte.“ Ein so verschmitztes Grinsen begleitete diese Worte, dass Felicity das Herz stockte.
Absichtlich trat sie dem Viscount auf den Fuß. „Lord St. Clair . . . “
„Sie dürfen mich beim Vornamen nennen. Nach allem, was Sie über mich wissen, sehe ich keinen Grund, warum wir bei Förmlichkeiten bleiben sollten.“
„Na hören Sie mal! Ich weiß, dass Sie Katherines Flucht wegen wütend auf mich sind . . .“
„Sie haben Dinge veröffentlicht, die Sie nichts angingen. Sie haben meine Freunde über meine persönlichen Angelegenheiten ausgefragt.“ Felicity geriet aus dem Takt, doch Seine Lordschaft ließ sich nicht beirren und tanzte weiter.
„Und Sie haben nicht einmal den Anstand, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.“
„Ich habe nichts Falsches getan!“
„Wirklich nicht? Dann wird es Sie wohl nicht stören, wenn ich Ihnen Ihr Verhalten mit gleicher Münze heimzahle.“ Böse Vorahnungen überkamen Felicity. „Wie meinen Sie das?“
Der Viscount neigte sich nah zu ihrem Ohr. „Hat man je über Sie geklatscht, Miss Felicity?“
Sie erstarrte. Grundgütiger Gott!
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