Der verbotene Kuss
zurückschrecken, eine anständige Frau zu heiraten, nur weil sie nicht adeliger Herkunft ist und kein großes Vermögen hat. Miss Taylor wäre keine schlechte Wahl, wenn du weiterhin auf der Suche nach einer Gattin bist.“ Am liebsten hätte Ian gelacht. Die Ehe mit Miss Taylor wäre eine Katastrophe. Bei ihrer losen Zunge, ihrem Hang, Geheimnisse aufzudecken, und ihrer Freude daran, hoch stehende Leute öffentlich an den Pranger zu stellen, würde sie schon in weniger als einer Woche nach der Hochzeit, nein, einem Tag, die Nase in seine persönlichsten Angelegenheiten stecken.
Außerdem würde sie nie einwilligen, ihn zu heiraten. Aus dem wenigen, was er bisher über sie wusste, konnte er schließen, dass ihr Vater ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen hatte. Der Wunsch nach Geld war bei ihr also keine treibende Kraft. Und da sie ihn für einen Liederjan und einen Wüstling hielt, für einen Mann, der Frauen verführte und seine Verlobte erniedrigte, würden auch die üblichen angenehmen Aspekte der Ehe sie nicht verlocken.
Trotzdem wäre die Ehe mit ihr ebenso unterhaltsam wie zum Verrücktwerden.
Nein. Dieser Gedanke war nicht einmal die Überlegung wert. „Du scheinst eine sehr gute Meinung von Miss Taylor zu haben. Aber du kennst sie doch kaum.“
„Das stimmt. Ich habe sie jedoch sofort gemocht, nachdem Sara sie mir vorgestellt hatte. Sie ist entzückend, witzig, intelligent und sehr freimütig. Du musst zugeben, dass du neuerdings viel zu ernst und obendrein zu geheimniskrämerisch bist. Du brauchst eine Frau wie sie, damit du dich entkrampfst. Und wenn du, wie so viele Männer, eine Frau haben willst, die einen makellosen Ruf hat, dann solltest du sie in Betracht ziehen. “
Ian schnaubte verächtlich. „Makellos? Das bezweifele ich sehr. “
„Oh?“ Neugierig schaute Emily ihn an. „Weißt du etwas über sie, das uns nicht bekannt ist?“
Wie schade, Emily nicht erzählen zu können, dass Lord X und Miss Taylor ein und dieselbe Person war. Es geschähe der schwatzhaften Federkleckserin ganz recht, bloßgestellt zu werden. Aber noch war Ian nicht dazu bereit, ihr offen den Krieg zu erklären. „Ich habe damit lediglich andeuten wollen, dass sie nicht ist, was sie zu sein scheint.“
„Dann bist du wirklich der Einzige, der so denkt“, erwiderte Emily. Sie war sichtlich enttäuscht darüber, dass er nicht mehr preisgeben wollte. „Niemand äußerte je etwas Schlechtes über sie.“
Genau das war der Grund, warum Miss Taylor sich unbehelligt in Gesellschaft bewegen konnte. Aber wenn sie Mittelpunkt von Gerüchten wäre, würde sie sich bestimmt nicht so selbstherrlich aufführen.
Was für ein interessanter Gedanke! Miss Taylor, Mittelpunkt von Klatsch. Ian lächelte. Vielleicht war es an der Zeit, der selbstherrlichen Miss Taylor schlagartig beizubringen, wie leicht eine Situation missgedeutet werden konnte.
Ohne lange über die Beweggründe seines Handelns nachzugedenken, entschuldigte er sich bei Emily und schlenderte zielstrebig durch den Raum. Ach ja! Er wusste genau, wie er Miss Taylor die dringend notwendige Lektion in Bescheidenheit erteilen musste, vor allem im Hinblick darauf, dass sie, wie Emily gesagt hatte, einen so makellosen Ruf genoss.
Als Felicity ihn auf sich zukommen sah, stellte sie sich auf Ärger ein. Der Teufel sollte Katherine holen! Felicity hatte das Risiko auf sich genommen, ihr Pseudonym gelüftet zu sehen, nur um die Freundin davor zu bewähren, einen unpassenden Mann zu heiraten, und nun war Katherine mit dem Verwalter der Familie durchgebrannt!
Wäre ihr geläufig gewesen, dass Mr. Gérard derjenige war, dem Katherines Zuneigung gehörte, hätte sie die Freundin nie in deren Gefühlen bestärkt. Naiverweise hatte sie jedoch angenommen, es handele sich um den Sohn eines Landedelmannes, der weniger Geld hatte, als Lady Hastings lieb war. Um Gottes willen, natürlich nicht um einen Angestellten, der zweifellos ein Mitgiftjäger war. Ach, verdammt!
Katherine hätte Lord St. Clair ab weisen und dann einen Mann heiraten sollen, der zumindest einigermaßen zu ihr und ihrem vornehmen Hintergrund passte. Die Närrin!
Nun wurde Felicity trotz all ihrer Mühen von einer Hornisse verfolgt. Kein Wunder, dass Lord St. Clair sie beim Mittagessen dauernd gereizt hatte. Er musste wütend sein. Voll wachsenden Unbehagens sah sie ihn näher kommen. Er hatte die unheimliche Fähigkeit, seine Gefühle vollkommen zu verhehlen, und das erschwerte es ungemein, ihn
Weitere Kostenlose Bücher