Der verbotene Ort
von Arnold Paole. Die Recherche über Pater Germain kam kaum voran, der Mann verweigerte jedwede Auskunft über seine Vorfahren, was sein gutes Recht war. Und sein wirklicher Name, Henri Charles Lefevre, war so weit verbreitet, dass Danglard schon bei den ersten Bemühungen scheiterte, seine Familiengeschichte zurückzuverfolgen. Danglard hatte Veyrencs Eindruck bestätigt: Dieser Pater Germain, ein verwirrender, autoritärer Mensch, mit einer unangenehmen, aber möglicherweise verführerischen Körperkraft ausgestattet, hatte nichts, um die Sympathie von Menschen zu erwecken, und alles, um eitle junge Sängerknaben zu faszinieren. Adamsberg hatte Danglards Bericht mit zerstreuter Miene zugehört und seine Empfindsamkeit damit wieder einmal sehr verletzt.
Retancourt sicherte mit Kernokian die Schweiz, Veyrenc bewohnte das ehemalige Zimmer von Zerk. Von dort ließ er Weill nicht aus den Augen. Seine roten Haarsträhnen hatte er unter einer dunklen Tönung verborgen, aber sobald die Sonne darauffiel, schienen sie wieder durch, unauslöschlich und provokant. Versuch nicht zu verbergen, was deine Natur. I Das Licht des Tages verrät deiner Kindheit Spur. Weill verbrachte seine – knappe – Zeit am Quai des Orfèvres, dann reihum bei seinen Lieferanten für Lebensmittel und rare Artikel, darunter eine Seife aus dem Libanon mit dem Duft der Purpurrose. Er hatte den neuen Nachbarn sogleich zu seiner abendlichen Tafelrunde eingeladen, aber Veyrenc hatte höflich schon von weitem abgelehnt. Noch um drei Uhr morgens amüsierte man sich bei Weill, und Veyrenc hätte gern die Maske abgeworfen, wäre nicht seine große Sorge um seinen Neffen gewesen.
Adamsberg legte sich jetzt immer mit seinen Waffen schlafen. Am Mittwochabend rief er erneut das Kommissariat in Nantes an, da seine vorherigen Versuche ohne Antwort geblieben waren. Der diensthabende Beamte, Brigadier Pons, lehnte es wie seine Kollegen ab, ihm den Privatanschluss von Kommissar Nolet zu geben.
»Brigadier Pons«, sagte Adamsberg, »ich spreche von Françoise Chevron, der Frau, die vor elf Tagen in Nantes erschossen wurde. Sie haben einen Unschuldigen hinter Gittern sitzen, und ich habe Ihren Mörder in Freiheit.«
Ein Lieutenant trat mit fragender Miene neben den Brigadier.
»Jean-Baptiste Adamsberg«, informierte ihn der Brigadier, die Hand aufs Telefon legend. »Im Fall Chevron.«
Mit einer unzweideutigen Geste seiner Hand an seiner Stirn gab der Lieutenant zu verstehen, wie viel Gutes er von Adamsberg dachte. Dann schienen ihm plötzlich Bedenken zu kommen, und er griff sich den Hörer.
»Lieutenant Drémard.«
»Die private Nummer von Nolet, Lieutenant.«
»Kommissar, wir haben den Fall Chevron abgeschlossen, er liegt bereits auf dem Schreibtisch des Richters. Der Ehemann schlug sie regelmäßig, sie hatte einen Liebhaber. Das Problem war hausgemacht. Wir können Kommissar Nolet deswegen nicht stören, er hasst das.«
»Er wird es noch mehr hassen, wenn es erst ein weiteres Opfer gibt. Seine Telefonnummer, Drémard, beeilen Sie sich.«
Drémard ging in Gedanken die zahlreichen und einander widersprechenden Meinungen durch, die er über Adamsberg gehört hatte, Genie oder Katastrophe, er fürchtete, einen Fehler zu machen, in der einen oder der anderen Richtung, darum entschied er sich für die Vorsicht.
»Haben Sie was zum Schreiben, Kommissar?«
Zwei Minuten später hatte Adamsberg den amüsanten Nolet an der Strippe. Er hatte Freunde zu Gast, Musik im Hintergrund und erregte Gespräche überdeckten ein wenig seine Stimme.
»Tut mir leid, dass ich Sie störe, Nolet.«
»Im Gegenteil, Adamsberg«, sagte Nolet aufgeräumt. »Sind Sie hier in der Gegend? Wollen Sie nicht zu uns kommen?«
»Ich rufe wegen Ihres Falls Chevron an.«
»Na, großartig!«
Nolet musste mit einer Hand darum bitten, dass man den Ton etwas leiser stellte, damit Adamsberg ihn besser verstehen konnte.
»Die Frau war vor neunundzwanzig Jahren Trauzeugin bei einer Hochzeit in Auxerre. Und die Exgemahlin will um keinen Preis, dass man sich daran erinnert.«
»Beweis?«
»Die Seite im Standesamtsregister wurde herausgerissen.«
»Und sie wäre so weit gegangen, die Zeugin zu töten?«
»Ohne jeden Zweifel.«
»Ich höre, Adamsberg.«
»Man hat die in Genf lebende Mutter befragt, sie leugnet, dass ihre Tochter je verheiratet war. Sie hat Angst und scheint mir zu einer bestimmten Aussage vergattert zu sein.«
»Also wäre auch dem anderen Zeugen Polizeischutz zu
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