Der verbotene Ort
der auf das Haus zuführte.«
»Zu der Zeit hegte Carnot noch keinen Verdacht gegen den Ehemann.«
»Nein, oder sie hätte doch niemals die Polizei benachrichtigt. Dennoch hatte sie viele Indizien in der Hand, um ihn zu verdächtigen. Der Pfad war ein Privatweg und wurde von niemand anderem benutzt. Der Ehemann kam an den Wochenenden allein in das Forsthaus, seit über fünfzehn Jahren. Er jagte. Und dieser wunderliche, ungesellige Gemahl soll nach Aussage der Bewohner des Fleckens sein Wild in einem mit Vorhängeschloss versehenen Gefrierschrank zwischengelagert haben. Er habe jede Hilfe von Nachbarn abgelehnt, als Emma Carnot ihn schließlich zum Auszug gezwungen hatte. Sie ahnen, was die Kühltruhe enthielt. Während ihres überstürzten Umladens in den Lastwagen muss ein Fuß verlorengegangen sein. Emma Carnot hätte begreifen können, dass der Fuß unmöglich einem Unbekannten aus der Tasche gefallen war, oder einem Vogel aus dem Schnabel. Aber sie wollte alles andere als begreifen. Die Idee ist ihr später zweifellos gekommen, dann hat sie geschwiegen. Die Ermittlung verlief im Sande – man hat auf einen Aasgeier geschlossen –, und alles war vergessen.«
»Bis zu der Entdeckung von Higegatte. Da hat sie begriffen.«
»Eindeutig. Siebzehn Füße vor einem Friedhof, und sie kannte den achtzehnten. Wenn herauskäme, dass sie einen Mann geheiratet hatte, der neun Leichnamen die Füße abgesägt hatte, wäre sie erledigt. Zu ihrem Pech aber waren Sie am Ort des Geschehens in London. Da blieb ihr nur noch, Sie mit Stumpf und Stiel zu vernichten. In weniger als einem Tag hat sie Mordents Schwachstelle herausgefunden und sich den Mann gekauft. Wenn die Maschine Carnot sich erst mal in Bewegung setzt, kann nichts und niemand sie an Schnelligkeit übertreffen, schon gar nicht Sie, Kommissar. Die Sache in Garches ist am Sonntag publik geworden, Carnot aber hatte schon weit vor Ihnen die Verbindung zu Highgate gezogen. Wie, weiß ich nicht. Vielleicht diese Zerstückelung. Sie hat die Ermittlung sabotiert, sie hat auf Émile schießen lassen, hat von Mordent verlangt, dass er die Flucht des Verdächtigen provoziert und die Patronenhülse sowie die Bleistiftspäne im Haus von Vaudel deponiert. Um den wahren Schuldigen zu retten, Sie lahmzulegen und zu erreichen, dass nie einer mehr von Ihnen hört.«
»Wie ist der Name ihres Ehemanns, Weill?«, fragte Adamsberg sehr langsam.
»Keine Ahnung. Das Haus in Burgund ist auf den Namen der Mutter eingetragen, es ist seit vier Generationen im Besitz der Familie Carnot. Und in dem Dorf, wie in allen Dörfern, hat man den Namen des Familienbesitzes auf den Ehemann übertragen. Man nannte ihn Monsieur Carnot oder den ›Gemahl von Madame Carnot‹. Er kam ja nur zum Jagen dorthin.«
»Aber sie, verdammt noch mal! Man wird doch wohl den Namen haben, den sie als verheiratete Frau trug. In jener Anzeige, zum Beispiel.«
»Sie war schon lange geschieden, als sie diese Anzeige machte. Als sie mit siebenundzwanzig Jahren ihre Laufbahn begann, hieß sie schon wieder Carnot. Es ist also mindestens fünfundzwanzig Jahre her, dass sie ihren Mädchennamen wieder angenommen hat. Diese Heirat war eine kurze Affäre ihrer Jugend.«
»Wir brauchen diese Zeugenaussage, Weill. Das ist das Einzige, was wir gegen sie in der Hand haben.«
Weill kicherte und bat um ein paar Minuten, um sein Lammkarree zu wenden.
»Man könnte meinen, Adamsberg, dass Sie die absolute Macht dieser Leute immer noch nicht durchschauen. Es gibt keine Aussage mehr. Ich verdanke diese Geschichte allein dem Erinnerungsvermögen des Brigadiers in Auxerre. Es gibt keinerlei schriftliche Belege. Sie haben die Dinge perfekt gelöscht.«
»Weill, es bleibt uns noch ein Trauzeuge.«
»Keine Resonanz im Augenblick. Aber es gibt die Mutter von Emma Carnot. Sie muss den jungen Ehemann kennengelernt haben, und sei es nur für ein paar Tage. Marie-Josée Carnot, Rue des Ventilles 17 in Genf. Es wäre ratsam, sie zu beschützen.«
»Es ist ihre Mutter, verdammt.«
»Und sie ist Emma Carnot. Die Trauzeugin, die in Nantes ermordet wurde, war ihre eigene Cousine. Informieren Sie Ihren Kollegen Nolet. Falls er die Sache weiterzuverfolgen wagt.«
»Was soll ich ihm sagen?«
»Beschützen Sie die Mutter.«
»Wie aber hat Carnot wissen können, wohin Émile ging?«
»Sie hat zugeschlagen, als es ihr richtig erschien und um mit ihm zu machen, was sie wollte.«
»Selbst die Bullen in Garches haben ihn verfehlt.«
»Adamsberg,
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