Der verbotene Ort
geschickt und sie dort gefunden. Sie haben den Namen des Mörders, seinen Vornamen, Sie haben sein Gesicht.«
»Ja«, bestätigte Danglard halblaut.
»Und seinen Wohnsitz?«
»Ja«, wiederholte Danglard.
Adamsberg verstand, dass dieses rasche Ergebnis sie verwirrte, ja erschütterte, so als wären sie ohne jede Vorbereitung plötzlich auf festem Boden angekommen, aber dieses Gefühl von allgemeiner Verlegenheit, ja Verschulden irritierte ihn. Irgendwo war der Zug entgleist.
»Wir kennen also«, begann Adamsberg wieder, »seine Adresse, vielleicht seinen Beruf, seine Arbeitsstelle. Seine Freunde, seine Familie. Dieser Umstand ist erst seit etwa fünfzehn Stunden bekannt. Wir lokalisieren seine Anlaufpunkte, wir gehen behutsam vor, wir können ihn nicht verfehlen.«
Mit jedem Wort, das er sprach, wurde Adamsberg stärker bewusst, dass er voll danebenlag. Sie würden ihn verfehlen, sie hatten ihn schon verfehlt.
»Wir können ihn nicht verfehlen«, wiederholte er, »es sei denn, er weiß, dass wir ihn lokalisiert haben.«
Danglard stellte seine große Tasche auf seine Knie, sie war von den Flaschen verbeult, die er häufig darin verstaute. Er zog ein Bündel Zeitungen heraus, wählte eine davon und breitete ihre Titelseite vor Adamsberg aus.
»Er weiß es«, sagte er mit müder Stimme.
17
Dr. Lavoisier musterte seinen Patienten mit strengem Blick, als verübelte er ihm eine solche Entgleisung. Denn dieser heftige Fieberanstieg war nicht eingeplant. Eine Bauchfellentzündung, die seine Heilungschancen erheblich gefährdete. Hochdosierte Antibiotika, die Bettlaken wurden alle zwei Stunden gewechselt. Der Arzt schlug Émile mehrmals auf die Wange.
»Machen Sie die Augen auf, mein Freund, Sie müssen durchhalten.«
Mühsam gehorchte Émile und betrachtete den kleinen Mann in Weiß, der als leicht verschwommene, rundliche Silhouette vor ihm stand.
»Dr. Lavoisier wie Lavoisier«, stellte der Arzt sich vor. »Geben Sie nicht auf«, sagte er, ihm erneut die Wange tätschelnd. »Haben Sie heimlich irgendwas geschluckt? Eine Papierkugel, ein Beweisstück?«
Émile bewegte den Kopf von links nach rechts. Nein.
»Damit ist nicht mehr zu spaßen, mein Lieber. Es ist mir wurst, was Sie treiben. Stellen Sie sich vor, ich interessiere mich für Ihren Magen, nicht für Sie. Begreifen Sie? Selbst wenn Sie Ihre acht Großmütter umgebracht hätten, würde das nichts an dem Problem ändern, das ich mit Ihrem Magen habe. Also? Haben Sie etwas geschluckt?«
»Wein«, flüsterte Émile.
»Wie viel?«
Émile bedeutete mit Daumen und Zeigefinger: ungefähr fünf Zentimeter.
»Eher wohl das Doppelte oder Dreifache, was?«, meinte Lavoisier. »Dann sehen wir schon klarer, das wird mir weiterhelfen. Denn es ist mir vollkommen egal, verstehen Sie, dass Sie picheln. Aber nicht im Augenblick. Wo haben Sie diesen Wein gefunden. Unter dem Bett eines andern Patienten?«
Neuerliche verneinende Kopfbewegung, verärgert diesmal.
»Ich trinke ja gar nicht so viel. Aber das war gut für mich, es bringt das Blut in Wallung.«
»Ach, das glauben Sie? Wo haben Sie denn die Weisheit her, mein Lieber?«
»Hat mir jemand gesagt.«
»Wer? Ihr Mitgefangener? Der mit dem Magengeschwür?«
»Dem hätte ich nicht geglaubt. Zu blöd.«
»Stimmt, der ist blöd«, gab Lavoisier zu. »Wer dann?«
»Weißkittel.«
»Unmöglich.«
»Weißkittel mit Mundschutz.«
»Kein Arzt auf dieser Etage trägt einen Mundschutz. Auch kein Pfleger oder Krankenträger.«
»Weißkittel. Hat mir zu trinken gegeben.«
Lavoisier ballte die Faust und erinnerte sich an die strikten Anweisungen von Adamsberg.
»Okay, mein Lieber«, sagte er und stand auf. »Ich rufe Ihren Freund, den Bullen, an.«
»Der Bulle«, sagte Émile und streckte einen Arm aus. »Wenn ich abkratze, ich habe ihm nicht alles gesagt.«
»Soll ich ihm eine Nachricht übermitteln? Adamsberg?«
»Ja.«
»Sagen Sie es mir. Lassen Sie sich Zeit.«
»Das Codewort. Auch auf einer Postkarte. Dasselbe.«
»Mache ich«, sagte Lavoisier und schrieb seine Worte auf das Blatt mit der Fieberkurve. »Das ist alles?«
»Der Hund, soll aufpassen.«
»Worauf?«
»Allergisch auf Paprikaschoten.«
»Das ist alles?«
»Ja.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde ihm alles ausrichten.«
Kaum auf dem Korridor, rief Lavoisier den großen Dunklen – André – und den Kleinen – Guillaume – zu sich und bläute ihnen ein: »Ab sofort wechseln Sie beide sich ohne Unterbrechung vor seiner Tür
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