Der verbotene Ort
brutaler Diplomat. Ihm verdanken wir die Dragonaden, die Strafmaßnahmen Ludwigs gegen die Hugenotten, und das will ja wohl was heißen.«
»Also, mal ehrlich, Danglard«, unterbrach Adamsberg ihn und legte ihm die Hand auf den Arm, »es würde mich sehr wundern, wenn auch nur einer unter uns das Geringste über diesen François Louvois wüsste und ihn das außerdem noch zerstreuen könnte.«
Danglard hielt in seinem Tanz inne, und seine Hand sank enttäuscht auf die Zeitung zurück. »Lesen Sie den Artikel.«
»Auf den besorgten Anruf eines Gärtners hin drangen die Beamten der Brigade criminelle von Kommissar Adamsberg am Sonntagmorgen in ein friedliches Anwesen in Garches ein und entdeckten den grässlich verstümmelten Leichnam des Eigentümers Pierre Vaudel, eines achtundsiebzigjährigen Journalisten im Ruhestand. Die Nachbarn, die noch immer unter Schock stehen, erklären, dass sie das Motiv für den bestialischen Überfall nicht begreifen, dem der Mann zum Opfer fiel. Soweit uns bekannt ist, wurde der Körper von Pierre Vaudel zerstückelt und – um das Grauen vollkommen zu machen – anschließend geschrotet und über die Wohnung verstreut, die sich so in eine blutige Bühne verwandelte. Die Ermittler konnten sehr bald erste Spuren sichern, durch die der wahnsinnige Mörder identifiziert werden könnte, darunter ein Papiertaschentuch. Die sofort vorgenommene DNA-Analyse hat den Namen des mutmaßlichen Täters erbracht. Dem Vernehmen nach handelt es sich um Armel Guillaume François Louvois, neunundzwanzig Jahre alt, Schmuckhersteller. Der Mann ist seit einem Sexualverbrechen, das er vor fünfzehn Jahren mit drei Komplizen an zwei minderjährigen Mädchen begangen hatte, polizeilich registriert.«
Adamsberg unterbrach die Lektüre, um einen Anruf entgegenzunehmen.
»Ja, Lavoisier. Ja, auch ich bin froh, von Ihnen zu hören. Nein, viel Ärger. Geht es ihm besser? Einen Augenblick.«
Er nahm das Telefon vom Ohr, um die Information an Danglard weiterzugeben.
»Irgendein Scheißkerl hat versucht, Émile zu vergiften,
schwere Entzündung, vierzig Komma zwei Fieber. Lavoisier, ich stelle mal laut, damit mein Kollege mithören kann.«
»Tut mir leid, mein Lieber, der Kerl ist in Arztkittel und mit Mundschutz hereingekommen, man kann nicht überall sein. Wir haben siebzehn Stationen im Klinikum, und an allen Ecken fehlt es an Geld. Ich habe zwei Pfleger im Wechsel rund um die Uhr vor seiner Tür postiert. Émile fürchtet, zu sterben, und ich verhehle Ihnen nicht, dass das durchaus passieren kann. Er lässt Ihnen zwei Dinge sagen, haben Sie was zum Schreiben?«
»Ich bin bereit«, sagte Adamsberg und griff sich eine Ecke der Zeitung.
»Erstens, das Codewort steht so auch auf einer Postkarte. Mehr kann ich dazu nicht sagen, ich habe nicht weiter gefragt, er ist mit den Kräften am Ende.«
»Um wie viel Uhr hat man ihm das Gift gegeben?«
»Beim Aufwachen war alles noch in Ordnung. Um vierzehn Uhr dreißig hat die Krankenschwester mich alarmiert, das Fieber war seit Mittag hochgegangen. Zweite Nachricht: Passen Sie auf bei dem Hund.«
»Worauf soll ich aufpassen?«
»Er ist allergisch gegen Paprikaschoten. Ich hoffe, Sie wissen, was er meint, es scheint ihm viel daran zu liegen. Vermutlich ist es die Fortsetzung des Codes, denn warum sollte man einem Hund Paprikaschoten zu fressen geben?«
»Was denn für ein Code?«, fragte Danglard, nachdem Adamsberg aufgelegt hatte.
»Ein zärtliches Wort, ›Kiss Love‹, geschrieben in kyrillischen Buchstaben. Vaudel liebte eine alte Dame in Deutschland.«
»Und warum sollte er ›Kiss Love‹ auf Russisch schreiben?«
»Keine Ahnung, Danglard«, sagte Adamsberg und nahm sich die Zeitung wieder vor.
»Zwar hatte sich herausgestellt, dass Louvois an den Vergewaltigungen nicht beteiligt war, aber der Richter hatte ein Strafmaß von neun Monaten auf Bewährung gegen ihn durchgesetzt, wegen Teilnahme an Gewalttaten und unterlassener Hilfeleistung gegenüber Personen in Not. Seitdem hatte Armel Louvois nicht mehr von sich reden gemacht, zumindest offiziell nicht. Es heißt, die Verhaftung des mutmaßlichen Verbrechers stehe unmittelbar bevor.«
»Unmittelbar«, wiederholte Adamsberg und warf einen Blick auf seine Uhren. »Jetzt ist Louvois schon über alle Berge. Dennoch halten wir die Observation aufrecht, nicht alle Leute hören ständig Nachrichten.«
Und noch aus dem Café gab er seine Instruktionen: Voisenet und Kernokian beobachten weiterhin die
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