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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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langweilt es.«
    Froissy fragte ein wenig hastig, wer noch einen zweiten Kaffee haben wolle, einige Hände gingen hoch, und Adamsberg vermutete, dass auch Froissy sich solche Codeworte ausdachte und Noël sie mit der Bemerkung verletzt hatte. Zumal sie nicht wenige Liebhaber hatte, sie aber auch in Rekordzeit wieder verlor. »Vaudel hat es nicht albern gefunden«, meinte Adamsberg.
    »Vielleicht ist es ein Code«, fuhr Froissy fort und senkte wieder den Blick auf das Papier, »aber auf jeden Fall ist es Russisch. ÊÈÑËÎÂÀ , das sind kyrillische Buchstaben. Tut mir leid, Russisch kann ich nicht. Nur wenige Leute können Russisch.«
    »Ich kann’s ein bisschen«, sagte Estalère.
    Ein erstauntes Schweigen trat ein, das der junge Mann gar nicht bemerkte, so sehr war er darin vertieft, den Zucker in seiner Tasse umzurühren.
    »Wieso kannst du Russisch?«, fragte Maurel, so als hätte Estalère etwas Unrechtes getan.
    »Weil ich’s versucht habe zu lernen. Allerdings weiß ich gerade so, wie man die Buchstaben ausspricht.«
    »Und warum hast du versucht, Russisch zu lernen? Warum nicht Spanisch?«
    »Eben so.«
    Adamsberg reichte ihm den Brief, und Estalère konzentrierte sich. Selbst in der Konzentration kniff er seine grünen Augen nicht zusammen, weit geöffnet und überrascht sahen sie auf die Welt.
    »Wenn man alles richtig ausspricht«, meinte er, »ergibt das so etwas wie kisslovö. Und wenn das ein Liebescode sein soll, kommt man auf kisslove. Kiss Love, Kuss Alles Liebe. Oder?«
    »Genau«, stimmte Froissy zu.
    »Keine schlechte Idee«, meinte Noël und griff nach dem Blatt. »Ein super Briefschluss, um Frauen auf sich aufmerksam zu machen.«
    »Ich dachte, du hältst nichts von Codes«, sagte Justin mit seiner Falsettstimme.
    Noël gab mit beleidigtem Ausdruck den Brief an Adamsberg zurück. Danglard betrat schnaufend das Café, mit leicht geröteten Wangen, und suchte sich einen Platz am Tisch. Das Gespräch ist gut verlaufen, schätzte Adamsberg. Sie wird nach Paris kommen, er ist noch ganz verstört, ja beinahe kopflos.
    »Pferdeäpfel oder Liebesbriefe, das alles ist nebensächlich«, sagte Noël. »Damit kommen wir der Sache immer noch nicht näher. Es ist dasselbe wie die Hundehaare auf dem Sessel: lang, weiß, Typ Pyrenäen-Berghund, so einer, der dich mit einmal Abschlecken von oben bis unten nass macht. Und, was hilft es uns? Nichts.«
    »Es vervollständigt das, was wir über das Taschentuch wissen.«
    Wieder trat Schweigen ein, Arme verschränkten sich, schräge Blicke wurden getauscht. Hier also, so begriff Adamsberg, lag der Grund für die Aufgeregtheit am Morgen.
    »Dann mal los«, sagte er.
    »Das Papiertaschentuch war frisch benutzt«, erklärte Justin. »Und es war etwas drauf.«
    »Ein winziges Tröpfchen Blut von dem Alten«, sagte Voisenet.
    »Und es war etwas drin.«
    »Rotz.«
    »Kurz, DNA, so viel man will.«
    »Wir wollten Ihnen das schon gestern Abend sagen, als wir’s erfuhren, dann gleich heute Morgen um acht. Aber Ihr Handy war ausgeschaltet.«
    »Der Akku war leer.«
    Adamsberg prüfte nacheinander ihre Gesichter und goss sich, ganz gegen seine Gewohnheit, ein halbes Glas Wein ein.
    »Vorsicht«, warnte Danglard ihn diskret, »es ist ein unbekannter Côtes.«
    »Wenn ich Sie richtig verstehe, ist der Rotz weder von dem alten Vaudel noch von Vaudel junior, noch von Émile. Ist es so?«
    »Jawohl«, sagte schnaufend Lamarre, der sich als alter Gendarm nicht von seinem Militärjargon lösen konnte.
    Und dem es als Normannen sehr schwerfiel, Adamsberg in die Augen zu sehen.
    Adamsberg trank einen Schluck und warf einen kurzen Blick zu Danglard hin, um ihm zu bestätigen, dass der Wein in der Tat reichlich sauer war. Dennoch kein Vergleich mit dem Rebensaft, den er sich am Abend zuvor mittels Strohhalm reingezogen hatte. Einen Moment lang fragte er sich, ob der Pinard nicht überhaupt die Ursache seines bleischweren Schlafs im Auto war, wo doch fünf oder sechs Stunden Ruhe ihm in der Regel genügten. Er nahm sich ein Stück von einem Sandwich, das noch auf dem Tisch lag – das von Mordent –, und schob es unter seinen Stuhl.
    »Für den Hund«, erklärte er.
    Er neigte den Kopf nach unten, sah, dass Cupido das Brot schmeckte, und kehrte zu seinen Mitarbeitern zurück, zu dreizehn Augenpaaren, die auf ihn gerichtet waren.
    »Es ist also die DNA eines Unbekannten«, fuhr er fort, »mithin die DNA des Mörders. Sie haben diese DNA ohne große Überzeugung an die Kriminalakte

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