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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Leidenschaft und Begehren nicht aufrechterhalten kann. Die Droge ist ein telepathischer Katalysator, und mehr, noch viel mehr als das. Nach den Lehren der Türme ist es unvorstellbar, daß gar kein Grund besteht, einer Bewahrerin Keuschheit aufzuerlegen, außer für eine begrenzte Zeit, wenn sie anstrengende Arbeit tun muß. Ganz bestimmt sind lebenslängliche Einsamkeit und Abgeschlossenheit unnötig. Die Türme haben ihre Bewahrerinnen mit grausamen und unnötigen Gesetzen geknechtet, schon vom Zeitalter des Chaos an, als das Jahresende-Ritual in Vergessenheit geriet. Ich vermute, damals hat es zur Zeit des Mittsommerfestes stattgefunden. Bei diesem Fest werden heute den Frauen in allen Domänen im Andenken an Cassildas Gabe für Hastur Blumen und Früchte geschenkt. Aber wie wird die Mutter der Domänen immer dargestellt? Mit der goldenen Glocke des Kireseth in den Händen! Das war das alte Ritual, damit eine Frau in den Matrix-Kreisen mit sauberen Kanälen als Bewahrerin arbeiten und dann, wenn es ihr Wunsch war, zur normalen Weiblichkeit zurückkehren konnte.«
    Er nahm ihre beiden Hände in seine. Auf die alte, automatische Art versuchte sie, sie ihm zu entziehen, aber er hielt sie fest. »Callista, hast du den Mut, Arilinn den Rücken zu kehren und mit uns eine Tradition zu erforschen, die dir erlaubt, gleichzeitig Bewahrerin und Frau zu sein?«
    Er hatte den richtigen Ton angeschlagen, als er an ihren Mut appellierte. Sie neigte zustimmend den Kopf. Trotzdem, als er die in ein Tuch eingewickelten Kireseth -Blüten brachte, nahm sie das Bündel nur zögernd in die Hände.
    »Ich habe jedes Gesetz von Arilinn außer diesem gebrochen. Jetzt bin ich wirklich zur Gesetzlosen geworden.« Von neuem war sie den Tränen nahe.
    Damon sagte. »Sie haben uns beide Renegaten genannt. Ich werde von dir nicht verlangen, irgendetwas zu tun, das ich nicht vor dir zu tun bereit bin, Callista.«
    Er nahm ihr das Tuch aus der Hand, schlug es auseinander, hob es an sein Gesicht und atmete tief den schwindelig machenden Duft ein. Angst erfaßte ihn – das Verbotene, das Tabu –, aber er rief sich Varzils Worte ins Gedächtnis zurück: »Deshalb haben wir den alten sakramentalen Ritus des Jahresendes zum Brauch gemacht … Du bist ihr Bewahrer; es ist an dir, die Verantwortung zu übernehmen.«
    Callista war blaß und zitterte, aber sie nahm die Kireseth -Blüten aus Damons Hand entgegen und atmete wie er tief ein. Damon dachte derweilen an den Arilinn-Kreis, der bei Sonnenaufgang zuschlagen würde. Beging er einen tragischen Fehler?
    Während seiner Jahre im Turm war vor einer wichtigen Arbeit jede Anstrengung verboten gewesen, und ganz besonders jede sexuelle Aktivität. Die Arilinn-Leute würden die Nacht jeder für sich allein in Meditation verbringen und sich auf die vor ihnen liegende Schlacht vorbereiten.
    Aber Damon arbeitete nicht nach diesen Richtlinien. Er wußte, er konnte Arilinn nicht schlagen, indem er tat, was sie taten. Sein Turm, auf ihren vierfachen Rapport aufgebaut, stellte etwas völlig Neues dar. Es war nichts als richtig, wenn sie in dieser Nacht das Band vervollständigten und Callista halfen, voll und ganz Teil der Gemeinschaft zu werden.
    Andrew nahm die Blüten aus Callistas Händen. Als er ihren Duft einatmete – trocken, pulverig, aber immer noch an das Feld goldener Glocken unter dem roten Sonnenlicht erinnernd –, sah er von neuem Callista durch das Blütenmeer auf sich zulaufen und wurde von Sehnsucht erfüllt. Ellemir war nun an der Reihe, und er wollte schon Einspruch erheben. War es für sie in ihrem Zustand ungefährlich? Aber sie hatte das Recht, ihre Entscheidung selbst zu treffen. Sie sollte teilhaben an dem, was diese Nacht ihnen bringen würde.
    Damons Bewußtsein erweiterte sich schlagartig, seine Wahrnehmungsfähigkeit schärfte sich. Die Matrix an seinem Hals flackerte und pulsierte wie ein lebendiges Wesen. Er umfaßte sie mit der Hand, und sie schien mit ihm zu sprechen. In diesem Augenblick fragte er sich, ob die Matrices nicht doch eine Form fremdartigen Lebens seien, das die Zeit als einen auf phantastische Weise anderen Ablauf erfuhr und mit der Menschheit in Symbiose verbunden war.
    Dann war ihm, als werde er wie während seiner Zeitforschung durch die Zeit zurückgetragen. Mit merkwürdiger Hellsichtigkeit erinnerte er sich, was er über die Geschichte der Türme zu Arilinn und Nevarsin gehört hatte. Nach dem Zeitalter des Chaos kamen Jahrhunderte der Dekadenz und der

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