Der verbrannte Garten - Ulysses Moore : Staffel 2 ; 5
Abenteuer ging.
Während sie rasch die Titel durchsah, fielen ihr die Kapitänsjacke und der Hut ein, die auf dem Speicher versteckt waren, und sie stellte sich einen Kapitän Spencer vor, der diese Sachen trug. Ohne dass sie hätte erklären können warum, verschmolzen in ihrer Fantasie Ulysses Moore und Kapitän Spencer zu einer Person.
Dann dachte sie über den Namen der Autorin nach und überlegte, ob sie nicht mal in der Schule von ihr gehört hatte. Nein, jetzt fiel es ihr wieder ein: Circe war der Name einer Hexe, die versucht hatte, Ulysses ⦠oder hatte er Odysseus geheiÃen ⦠davon abzubringen, seine Reise fortzusetzen. Aber später hatte sie ihm sogar geholfen, sein Ziel zu erreichen.
Die Hexe Circe.
Und Kapitän Spencer.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, ging Julia in einen anderen Teil der Bibliothek, zu den Büchern, die von Schiffen und dem Meer handelten.
»Vielleicht ist er ja jemand, den es wirklich gegeben hat â¦Â«, überlegte sie.
Sie schlug ein paar dicke, verstaubte Wälzer auf, ging jeweils rasch das Inhaltsverzeichnis durch und stellte sie dann wieder ins Regal. Von unten drang die Stimme ihres Bruders herauf, der laut protestierte, weil er nicht die schwere alte Standuhr aus dem Esszimmer tragen wollte.
Julia musste lachen. Im nächsten Augenblick aber fiel ihr Blick auf etwas, das sie bisher noch nicht bemerkt hatte. Auf dem Regalbrett, das sich direkt vor ihrer Nase befand, fehlte vor einem dicken Buch der Staub. Jemand musste es erst vor Kurzem herausgezogen haben.
Sie nahm es in die Hand. Der auffallend lange Titel lautete:
LEBEN UND ERSTAUNLICHE TATEN SOWIE
SAGENHAFTE SCHÃTZE DER PIRATEN,
FREIBEUTER UND KORSAREN DER SIEBEN MEERE
Und darunter in kleinerer Schrift:
Aktualisierte Ausgabe, sämtliche Schiffs- und
Bootstypen erfassend (vom Einbaum bis zum
modernen Motorschiff)
Zeitgenössische Artikel, Illustrationen und Seekarten
London 1881
AuÃer Nestor gab es hier im Haus niemanden, der an einer derartigen Lektüre interessiert sein könnte, dachte Julia. Als sie einen Augenblick später zwischen den Seiten des Buches einen Zettel fand, wurde ihr Verdacht bestätigt: »Kontrollieren« stand dort in Nestors ordentlicher Handschrift.
Das Lesezeichen markierte eine Seite mit der Abbildung einer Brigantine. Darunter stand: »Mary Celeste. Das Geisterschiff.«
Sofort vertiefte sich Julia in die Lektüre des dazugehörigen Artikels. Die Geschichte wäre genau nach Jasons Geschmack, dachte sie zwischendurch. Das Schiff war 1861 vom Stapel gelaufen und zwölf Jahre später in den Gewässern um die Azoren treibend aufgefunden worden. Das Schiff war führerlos, und alle, die sich an Bord befunden hatten, waren spurlos verschwunden: der Kapitän Benjamin Briggs, seine Ehefrau und die gemeinsame zweijährige Tochter Sophia Mathilda Briggs ebenso wie die sieben Mann starke Besatzung.
Briggs
? Was für ein eigenartiger Zufall! Sie hatten beinahe den gleichen Nachnamen gehabt wie die Autorin des Buchs, das Anita in der Frognal Lane gefunden hatte. Julia fragte sich, ob es zwischen den Vermissten und der Schriftstellerin eine Verbindung geben konnte.
Als sie weiterlas, kam ihr die Angelegenheit noch merkwürdiger vor. Die
Mary Celeste
war 31 Meter lang, mit einer Ladekapazität von 282 Tonnen. Als sie entdeckt wurde, waren sämtliche Segel gesetzt. Das Deck war nass gewesen und die Räume darunter hatten teilweise unter Wasser gestanden. Der Kompass war zerbrochen, die Segel gröÃtenteils zerrissen. Das Rettungsboot hatte gefehlt. An Bord hatte man keine einzige Karte gefunden. Von den Fässern mit Industriealkohol im Laderaum, der Fracht der
Mary Celeste
, waren neun leer gewesen. Die Brigantine wurde nach Gibraltar abgeschleppt und dort von den britischen Behörden beschlagnahmt.
»Kein einziges Mitglied der Besatzung«, las Julia laut, »wurde jemals gefunden, und nie fand man heraus, was aus ihnen geworden ist. Zahlreiche Schriftsteller* versuchten, das Geheimnis um die Mary Celeste zu lüften. Welches Schicksal hatte die Menschen an Bord ereilt? War es ein tragisches Unglück gewesen, waren sie aus irgendwelchen Gründen von Bord geflohen oder hatten Piraten sie überfallen?«
Julia schloss das Buch und überlegte, warum sich Nestor wohl für die Geschichte des Geisterschiffs interessieren mochte. Noch dazu zu einem Zeitpunkt, an dem er
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