Der Verehrer
indiskreten Fragen zu schützen.
»Die Familie zieht offenbar das Unglück an wie ein Magnet, nicht? Ich bringe jetzt den Nachtisch, Leona. Sie müssen mehr essen, Sie sind viel zu dünn!«
Nach Glühwein und Weihnachtsgebäck machte sich Leona auf den Heimweg. Ihr Körper fühlte sich schwer und unbeweglich an, so satt war sie. Es schneite unablässig. Im Schein der Straßenlaternen sah die Welt verzaubert aus. Sie hatte nichts Neues herausgebracht, aber trotzdem war es ein netter Abend gewesen, unterhaltsamer zumindest, als daheim zu sitzen. Sie hatte genug Alkohol getrunken, um die dunklen Fenster ihres Hauses, die leeren Zimmer, das kalte Bett ertragen zu können.
Sie stieß die schwer mit Schnee beladene Gartenpforte auf.
Vor der Haustür stand Robert inmitten eines Berges von Gepäck. Er hatte sich seinen Schal vor das Gesicht gezogen, trampelte von einem Fuß auf den anderen, rieb seine Hände gegeneinander.
»Guter Gott!« Seine Stimme klang dumpf unter der Wolle hervor. »Wo warst du? Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr! Schließ bloß schnell die Tür auf, ich bin schon fast erfroren. O bitte, Leona, schau nicht drein, als sei dir ein Geist erschienen. Schließ die Tür auf! «
Erst nach einer Weile begriff Robert, daß Leona wirklich böse auf ihn war. Er hatte seine zwei Koffer und seine Tasche im Flur stehengelassen und fünf prallvolle Plastiktüten in die Küche geschleppt, sie auf den Tisch gewuchtet und mit dem Auspacken begonnen.
»Spaghetti. Olivenöl. Pesto. Rotwein«, zählte er auf. »Alles direkt aus Italien. Für dich! Weißt du was? Ich sterbe vor Hunger! Wie wäre es, wenn ich für uns beide eine gigantische Spaghettimahlzeit kochte?«
Leona war ihm gefolgt, lehnte in der Tür. Sie betrachtete ihn: Er sah gesund aus, fröhlich. Auf seinen dunklen Haaren schmolz der Schnee.
»Ich komme gerade von einem mehrgängigen Menü« sagte sie. »Du mußt schon für dich allein kochen.«
»Schade. Wo warst du denn?«
Er sah sie unbefangen an. Sie hatte sich noch immer nicht von ihrer Überraschung erholt, aber langsam kam sie zu sich.
»Wo ich war?« Ihre Stimme bebte vor Empörung. »Vielleicht könntest du mir erst einmal erklären, wo du warst?«
»In Italien. Da habe ich ja all die Sachen gekauft.«
»In Italien? Du wolltest nach Ascona! Du hattest mir gesagt, daß …«
»Schatz, ich war ja auch in Ascona. Ich habe mir Wäsche, Kleider, Arbeitsunterlagen geholt. Aber dann mußte ich noch nach Mailand zu einem Verlag , für den ich öfter Übersetzungen anfertige. Es gab viel zu besprechen, eine Menge Arbeit … und dann habe ich noch kurz einen Freund in Rom besucht … Himmel, Leona, was ist denn los? Du siehst ziemlich wütend aus.«
Sie explodierte. Schlimm genug, daß er sich drei Wochen lang nicht bei ihr gemeldet hatte, aber nun setzte er all dem noch die Krone auf, indem er gar nicht kapierte , was los war, hier hereinspaziert kam, als sei nichts gewesen, und auch noch anerkennungheischend seine Nudeln und sein Olivenöl auspackte.
»Ziemlich wütend? Ich sehe ziemlich wütend aus? Ich bin sau wütend, Robert, das kann ich dir nur sagen. Was hast du dir eigentlich gedacht? Fährst für ein oder zwei Tage nach Ascona, um nach dem Rechten zu sehen und deine Sachen zu holen, und tauchst dann für zwei Wochen unter! Zwei Wochen! Kein Lebenszeichen von dir, nichts! Gab es keine Telefone in Italien? Keine Möglichkeit für dich, mich anzurufen? Es hätte dich eine Minute gekostet, mir zu erklären, daß dir ein paar Dinge dazwischengekommen sind und
daß sich deine Rückkehr verzögert. Kein Problem. Aber du kannst doch nicht einfach nichts sagen!«
Sie war laut geworden in ihrem Zorn. Robert stand mit hängenden Armen vor ihr. Er schien nicht zu wissen, was er erwidern sollte.
Sie ging zum Tisch, fegte mit einer heftigen Bewegung all die Nudelpackungen hinunter auf den Boden. »Kommst hier mitten in der Nacht einfach reingeschneit und meinst, alles ist in Ordnung! Was glaubst du, was mit mir war in den letzten Wochen? Hast du dir das schon einmal überlegt?«
Er sagte immer noch nichts.
»Ich habe mir Sorgen gemacht um dich! Dir hätte ja auch etwas zugestoßen sein können. Mich würde doch kein Mensch benachrichtigen. Ich würde es nie erfahren.«
Er hatte auf den Boden gestarrt, auf die schönen, alten Steinfliesen, die Leonas ganzer Stolz waren. Jetzt hob er den Kopf.
»Es tut mir leid«, sagte er leise.
Leona ließ sich auf einen der Stühle
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