Der vergessene Mond Bd II - Zeit des Erwachens (German Edition)
Mit fordernder Handbewegung deutete der alte Mann an, dass er von ihr erwartete, seiner Anweisung zu folgen. „Es tut mir leid, mein Herr. Ich kann sie nur an Meister Borresch persönlich übergeben. Könnt ihr ihn bitte rufen?“ Noch einmal verbeugte sie sich leicht vor ihrem Gegenüber, um sich für die Unhöflichkeit zu entschuldigen, aber sie würde die Rolle nur an Borresch selbst aushändigen.
„Er hat gesagt, du sollst ihm die Nachricht geben, na los.“ Die dunkle Stimme des muskelbepackten Wachmannes erklang laut und fordernd, während er sich seitlich auf sie zubewegte. Ohne den Blickkontakt zu dem alten Mann vor ihr zu unterbrechen wartete sie mit angespannten Muskeln, bis er in Reichweite war, dann explodierte ihr Körper. Schnell wie ein Blitzschlag hämmerten ihre Fäuste eine Schlagkombination gegen den völlig überraschten Wachmann und fällten ihn zu Boden, bevor er überhaupt eine Hand gehoben hatte. Mit einer fließenden Bewegung beendete sie den Angriff über ihm stehend mit Blick auf den alten Mann, in einer gut ausbalancierten Verteidigungsposition.
Das brüllende Lachen ihres Gegenübers brachte Kira für einen Moment aus dem Gleichgewicht. Erst schüchterte er sie ein, dann lachte er sie aus? Verwirrt sah sie in die Augen des Alten, in denen sie weder Bosheit noch Hinterlist erkennen konnte. „Ich hätte nicht gedacht, dass Yi einen so jungen Boten schickt, sind ihm die älteren Schüler ausgegangen? Ich bin Borresch,verzeih mir das Versteckspiel, aber man kann nicht vorsichtig genug sein in diesen Tagen.“
Mit einem Schlag fiel die gesamte Anspannung der letzten Tage von Kira ab. Endlich hatte sie es geschafft, sie war in Magystra und hatte Meister Borresch gefunden. Es gab keinen Grund für sie, an den Worten des Alten zu zweifeln, keine Lüge war in den Augen des Mannes zu erkennen, dessen auffällige Ähnlichkeit zu ihrem Meister ihr direkt eine Warnung hätte sein sollen. Ihre Kampfhaltung aufgebend verbeugte sie sich noch einmal, diesmal tiefer wie zuvor. „Meister Borresch, ich bin Kira, Schülerin des Meisters Yi und bringe euch Nachricht.“ Mit einer Handbewegung holte Kira die lederne Nachrichtenrolle hervor, die ihr Meister ihr gegeben hatte, um sie an Borresch auszuhändigen.
„Nein nein, mein Kind, nicht jetzt und hier. Ich bringe dich erst einmal in ein Gästezimmer, wo du dich säubern kannst. Bei Sonnenuntergang gibt es Essen, dabei kannst du dich dann stärken und erzählen.“ Mit einer eindeutigen Handbewegung geleitete der alte Waffenhändler die junge Mönchin in das Anwesen, um ihr dort eine Kammer zuzuteilen.
Der Raum war klein und überfüllt mit Möbelstücken aller Art. Wo sie nicht mehr als einen Tisch und eine saubere Decke gewohnt war, standen ein großes Bett, ein Tisch, Stühle, eine Anrichte und ein weiterer Schrank auf engstem Raum. „ Keine Harmonie. “ Höflich bedankte sie sich für die Möglichkeit, sich von der Reise zu säubern und frische Leinen anzuziehen. Eine füllige ältere Magd brachte ihr eine Wanne heißen Wassers und so hob sich ihre Laune zunehmend. Die Aussicht auf ein heißes Bad, gefolgt von einem Essen ließ sie ihren Auftrag für einen Moment vergessen, heute war ein guter Tag.
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Einige Stunden und ein langes Bad später betrat Kira den großen Ess-Saal des Anwesens. Ihr Hunger war stärker als je zuvor, was ihr durch die periodischen rumpelnden Geräusche ihres Magens ständig neu in Erinnerung gebracht wurde. Trotzdem war ihre Laune ausgezeichnet, endlich wieder gut gebadet und in saubere Leinen gehüllt fühlte sie sich zum ersten Mal wohl in der fremden Stadt, nun fehlte nur noch das versprochene Essen.
Borresch selbst hatte sie in ihrer Kammer abgeholt und zum Ess-Saal geleitet, in dem bereits der bullige Wachmann sowie die ältere Magd saßen. Das schwache Grinsen des kräftigen Mannes, den sie vor wenigen Stunden mit einer schnellen Schlagkombination zu Boden gebracht hatte, zeigte ihr, dass er es ihr nicht übel nahm. Blessuren, die nicht von ihren Fäusten kamen, waren in seinem Gesicht zu sehen, vermutlich kam es in seiner Position als Wachmann öfters vor, dass er etwas einstecken musste. Dennoch entschuldigte sie sich mit einer leichten Verbeugung, bevor sie schließlich bei Tisch platz nahm.
„Nun Martha, wie weit ist der Junge?“ Die Frage des Hausherrn war an die Magd gerichtet, die sich unwohl zu fühlen schien. „Ich weiß es nicht, er will mich nicht in die Küche lassen. Sagt, dass es nun seine
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