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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Romanum. Unser christliches Denken setzt Rom in die Mitte der Welt - doch aus jüdischer Perspektive liegt Jerusalem in der Mitte zwischen Rom und Babylon. Was spricht denn gegen die Missionierung des Ostens durch Petrus? Nichts als die römische Legende vom Martyrium des Apostelfürsten!
    Nein, Bruder Gabriel, Babylon ist kein Gleichnis für Rom. Wenn es Petrus' Hoffnung gewesen wäre, den christlichen Glauben in die Hauptstadt des Imperium Romanum zu tragen, wieso schreibt er dann nicht: »Meine lieben Brüder, ich bin in Rom‹.
    Das ist, als ob ich als Metropolit von Athen einen Hirtenbrief an meine Gemeinden schreibe und statt Florenz eine andere Stadt wie Konstantinopolis oder Rom als Ort der Niederschrift benenne. Warum sollte ich das tun? Weil die orthodoxen Gläubigen in Athen sich weigern, in griechischen Kirchen lateinische Gottesdienste zu feiern? Weil mich vor wenigen Tagen einer meiner eigenen Bischöfe als Verräter am orthodoxen Glauben bezeichnet hat, da ich ernsthaft in Erwägung ziehe, das Unionsdekret zu unterzeichnen? In meiner Kirchenprovinz droht ein Aufstand, Bruder Gabriel. Aber deshalb kann ich doch nicht leugnen, in Florenz am Konzil teilzunehmen.«
    »Heilige Mutter Gottes!«, stöhnte Eugenius bestürzt. »Bruder Niketas, das tut mir ...«
    »Florenz ist Florenz, Bruder Gabriel«, fuhr ich unbeirrt fort. »Und Babylon ist Babylon. Außerdem bezeichnet sich Petrus in seinem Brief nicht als Führer der Gemeinde von Jerusalem, als Bischof oder gar als Papst. Petrus war nicht der erste Papst!«
    Eugenius atmete hörbar aus, lehnte sich auf seinem Sessel zurück und blickte eine Weile ins flackernde Kaminfeuer. Offenbar wollte er sich wegen dieser Frage nicht mit mir zerstreiten. »Und wer, glaubt Ihr, war der erste ...«
    Fra Domenico öffnete die Tür und steckte den Kopf herein. »Euer Heiligkeit, Euer Seligkeit, bitte verzeiht die Störung. Das Abendessen ist seit einer Weile angerich...«
    »Nicht jetzt!«, scheuchte ihn der Papst wieder hinaus.
    Als der Dominikaner hastig die Tür hinter sich geschlossen hatte, wiederholte Eugenius seine Frage: »Wer war der erste Papst?«
    Ich sagte es ihm.
    Fassungslos starrte er mich an. »Ein Jude?«
    »Wenn Ihr Eusebius' Kirchengeschichte aufmerksam lest und bedenkt, was ich soeben über Petrus' Martyrium in Rom gesagt habe, könnt Ihr zu keinem anderen Schluss kommen. Er war der erste Pontifex. Der vergessene Papst!«
    »Ein von Gott verdammter Jude!«, regte er sich auf und umklammerte mit beiden Fäusten die Lehnen seines Sessels.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ein Heiliger der römischen und der griechischen Kirche, Bruder Gabriel! Und nebenbei bemerkt: Jesus Christus war ein orthodoxer Jude! Jeschua ben Joseph aus der Dynastie König Davids starb als gesalbter Herrscher Israels an einem römischen Kreuz. Er begründete eine Dynastie. Seine Nachfolger waren die Führer der nazoräischen, also der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem. Mit anderen Worten: die wirklichen Päpste! Ihre Namen werden in den Evangelien erwähnt, in der Apostelgeschichte und in den Schriften der Kirchenväter. Sie berichten über diesen ersten ... diesen vergessenen Papst. Epiphanius beschreibt seine Krone und Eusebius seinen Thron in Jerusalem. Ein Brief dieses ersten Oberhauptes der Christen, der im wahrsten Sinn des lateinischen Wortes ein Pontifex, ein ›Brückenbauer‹ zwischen Judentum und Heidentum war, findet sich sogar im Neuen Testament.«
    Eugenius richtete sich auf seinem Sessel auf und sah mir eindringlich in die Augen. »Wollt Ihr den Menschen die Wahrheit verkünden, Bruder Niketas?«
    »Die Wahrheit würde die Kirche vernichten.«
    »Da habt Ihr Recht!«
    »Die Kirche ist nicht das von Jesus Christus ersehnte Königreich der Himmel. Sie gründet sich auf einen Mythos, nicht auf die Wahrheit. Sie ist weltlich, fehlbar und schwach, zerspalten und zerstritten. Dennoch muss sie bewahrt werden. Denn wir haben keine andere Kirche, nur diese eine. Und wenn es sie nicht schon gäbe, müssten wir sie erschaffen. Während der nächsten Wochen des Konzils sollten wir das Beste daraus machen.«
    »In der Tat, das sollten wir!«, stimmte er mir zu. »Die Kirchen, die römische wie die griechische, sind die befestigten Mauern Europas, die unter dem Ansturm des Islam einstürzen werden, wenn der christliche Glaube und der Papst als oberster Feldherr sie nicht stärken und mit aller Macht verteidigen.«
    »Als Primus inter Pares«, warf ich ein. »Als Erster unter

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