Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Ranggleichen.«
»Werdet Ihr mir als ›Primus‹ in den Kampf folgen, Bruder Niketas? Werdet Ihr zur Rettung von Byzanz und der Herrschaft Eures kaiserlichen Bruders den Primat des römischen Pontifex akzeptieren und das Unionsdekret unterzeichnen?«
»Wenn Ihr die ›Pares‹ nicht vergesst.«
»Ich werde sie gewiss nicht vergessen!«, versprach er. »Denn einen von ihnen, dessen umfassendes Wissen und dessen unbarmherzige Aufrichtigkeit ich über die Maßen schätze, hätte ich als erster Pontifex einer vereinigten griechisch-römischen Kirche sehr gern an meiner Seite!«
Am Nachmittag des folgenden Tages wurde Luca d'Ascoli feierlich zu Grabe getragen.
Zur Stunde der Non wurde seine sterbliche Hülle auf einen Katafalk gebettet, der auf einem von zwei schwarzen Hengsten gezogenen und mit Brokatstoffen geschmückten Karren ruhte. Der Verstorbene trug das Ordensgewand der Dominikaner und hielt die Ikone im Arm, die mir der Basileus geschenkt hatte. Auf den Seiten des Katafalks prangte Lucas Wappen: der aus Goldfäden gestickte Löwe, der das Evangelium mit seinem Leben schützte.
Mit Cosimo und Piero stand ich im Innenhof des Palazzo d’Ascoli und sah zu, wie Tayeb die Falten des Dominikanerhabits ordnete. In diesem Moment kam Alessandra die Treppe herunter. Mein Gott, wie blass sie war! Von Cosimo und Piero ließ sie sich herzlich umarmen und auf beide Wangen küssen. Dann nickte sie mir mit ernster Miene zu und wandte sich zu ihrem Vater um. Sie sprach kein Wort - als hätte sie für diesen Tag ein Schweigegelübde abgelegt.
Auf ihr Zeichen schob Floriano das Bronzetor auf, das über und über mit Kondolenzschreiben, Lorbeerranken und Seidenbändern in den Farben des Papstes bedeckt war. Der Karren setzte sich in Bewegung. Wenige Schritte hinter dem Katafalk folgte Alessandra allein ihrem Vater. Cosimo und sein Sohn blieben in angemessenem Abstand hinter ihr.
Sobald wir das Portal passiert hatten, trat Fra Antonino, der mit den anderen auf der überfüllten Piazza gewartet hatte, neben mich. Langsam bewegte sich der Trauerzug in Richtung Campanile. Zu beiden Seiten des Karrens formierte sich schweigend das Ehrengeleit der einundzwanzig Prioren, die Florenz regierten. Vergeben und vergessen schien für diesen einen Tag die strikte Weigerung von Scipione Sassetti, Alessandra den Eintrag ins Gildebuch zu gewähren. Cosimo befürchtete eine heftige Auseinandersetzung mit der Gilde nach den Trauertagen. Der Zunftmeister hatte gedroht, Alessandras Unternehmen mit Waffengewalt zu schließen.
Ganz Florenz nahm Anteil an Lucas Beisetzung. Werkstätten, Läden und Banken blieben während des prunkvollen Staatsbegräbnisses geschlossen. In Trauergewänder gekleidete Menschen säumten den Weg von der Kathedrale, deren Glocken dröhnten, bis zur Kirche Santa Maria Novella.
Während der Zug sich langsam durch die mit schwarzen Fahnen geschmückte Via dei Banchi bewegte, warfen die Trauernden Lorbeerzweige und weiße Bänder auf Lucas letzten Weg. Viele hielten brennende Kerzen in den Händen, beteten leise und bekreuzigten sich, als der Katafalk vorüberfuhr.
Abgesehen von den knirschenden Schritten im vereisten Schnee, dem Schnauben der Pferde und den gemurmelten Gebeten am Straßenrand war es sehr still - bis von irgendwoher eine Krähe rief. Alessandra, die nur wenige Schritte vor mir ging, zuckte zusammen und blickte zum düsteren, wolkenverhangenen Himmel.
Dann hatten wir die Piazza Santa Maria Novella erreicht. In einem weiten Bogen zogen die Hengste Lucas Katafalk an den Reihen der Dominikaner, Franziskaner und Augustiner der Klosterresidenz des Papstes vorbei. Auf den Stufen von Santa Maria Novella erwartete ihn der Papst. Als der Karren vor dem Pontifex hielt, verneigte sich Seine Heiligkeit ehrerbietig vor seinem gefürchtetsten Feind, während die Kardinäle für Luca beteten. Dann nickte der Papst auch Lucas Tochter zu und schlug das Kreuz über sie.
Ein erstauntes Raunen wehte über die Piazza, als Alessandra auf Eugenius zuschritt, den Seidenrock raffte und im Schnee niederkniete. Sie schob das goldbestickte Pluviale zur Seite und küsste die Füße Seiner Heiligkeit. Das war in dem feierlichen Zeremoniell nicht vorgesehen! Bestürzt half Eugenius ihr auf, zog ein Tüchlein aus dem weiten Ärmel seines Pontifikalornates und tupfte ihr damit die Lippen ab. Er umarmte sie ein wenig unbeholfen, hauchte Küsse auf beide Wangen und flüsterte ihr leise etwas ins Ohr. Sie nickte ernst und verneigte sich
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