Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
treffen wollte«, flüsterte er. »Die Basler Konziliaristen werden einen neuen Papst wählen. Deshalb wollte ich mit Luca sprechen: Seine Wahl zum Pontifex hätte den drohenden Krieg in Italien verhindern können! Filippo Maria Visconti, der Herzog von Mailand, sieht sich schon als König von Italien. Er lässt sich von Cosimos Todfeind Rinaldo degli Albizzi zu einem Krieg gegen Florenz und den Papst aufhetzen.« Mein Cousin seufzte. »Nun ist alles zu spät: Luca ist tot!«
Mein Vater hatte in jener Nacht nach Basel aufbrechen wollen. Hatte Luca doch beschlossen, sich zum Gegenpapst wählen zu lassen?
»Lucas Mörder weiß nun, dass du mit mir in Verbindung stehst. Und mit den Schismatikern in Basel. Sandra, du bist in Lebensgefahr!«
»Ich weiß.« Während wir eng umschlungen Lucas Katafalk folgten, erzählte ich von dem Attentat des römischen Assassinos und dem blutgetränkten Mordauftrag.
»Wen verdächtigst du? Vitelleschi oder Scarampo?«
»Scarampo hat diesen Brief nicht geschrieben. Er war niemals Lucas Feind. Vorletzte Nacht hat et in meinem Beisein eigenhändig die Aufhebung von Lucas Exkommunikation niedergeschrieben. Eugenius wusste, warum ich das von ihm verlangt habe - Scarampo nicht! Seine Handschrift ist nicht identisch mit der auf dem blutigen Brief.«
»Dann bleibt nur der ›Patriarch von Rom‹.«
»Ich glaube nicht, dass der Papst ihm befohlen hat, Luca zu ermorden«, flüsterte ich in das Seidentuch und tat, als würde ich erneut in Tränen ausbrechen. Prospero, der seinen Arm um meine zuckenden Schultern gelegt hatte, zog mich tröstend an sich. »Eugenius gestand, dass auch er zunächst Vitelleschi verdächtigt hatte. Während der Reise nach Florenz hat er lange mit ihm gesprochen. Lucas unerwartetes Erscheinen in Ferrara hatte Vitelleschi irritiert. Als Eugenius ihm erzählte, ich sei in Alexandria fast einem Anschlag zum Opfer gefallen, war Vitelleschi bestürzt. Und als der Papst ihm anvertraute, er habe an den Patriarchen Philotheos geschrieben, um herauszufinden, wer ihn um Mithilfe bei diesem Mordversuch gebeten hatte, geriet er nicht aus der Fassung. Eugenius bezweifelt, dass Vitelleschi hinter den Attentaten auf Luca und mich steckt ... und damit auch auf dich, Prospero!«
»Du glaubst ihm?«
»Ja«, nickte ich. »Eugenius missbilligt es zutiefst, dass Vitelleschi die Macht unserer Familie mit Gewalt bricht.«
»Du lieber Himmel, Sandra! Wie kannst du dem Papst vertrauen?«, erregte er sich. »Hast du vergessen, wie dein Großvater Marcantonio hingerichtet wurde? Wie unsere Cousins Lionello und Giordano starben? Wie Stefano ermordet wurde? Wie ich selbst vor acht Jahren aus Rom fliehen musste? Und nun die Attentate auf Luca, dich und mich!
Hast du vergessen, dass Vitelleschi und sein Condottiere Cesare Orsini vor einigen Monaten unsere Hauptstadt Palestrina zerstört haben? So viele unserer Anhänger fielen bei der Verteidigung der Burg! Vitelleschi hat die Stadt niedergebrannt und die Festung bis zu den Fundamenten abgerissen. Selbst die Kathedrale hat er zerstört! Der Stammsitz der Colonna ist nun Teil des Patrimonium Petri. Eugenius war so erfreut, dass er Vitelleschi nach der Eroberung von Palestrina und der Unterwerfung der Colonna zum Kardinal ernannt hat. Wie ein siegreicher Feldherr zog er im Triumph nach Rom. Sein Wille ist Gesetz! Er herrscht in der Ewigen Stadt - nicht der Papst. Und du sagst, Eugenius missbillige Gewalt? Du irrst, Sandra! Nur mit Gewalt, Folter und Mord kann er sich noch halten.«
»Was hätte Vitelleschi durch den Mord an Luca gewinnen können?« Unruhig blickte ich mich um. »Die Rache unserer Familie ...«
»Vitelleschi lässt sich in Rom huldigen, als wäre er der Papst«, unterbrach mich Prospero hitzig. »Ich glaube, dass er Eugenius stürzen und ermorden will. Luca hätte ihm als nächstem Pontifex gefährlich werden können. Daher erschrak er, als dein Vater unerwartet nach Ferrara kam, um sich mit Eugenius zu versöhnen. Und reagierte er nicht ebenso bestürzt, als ihm der Papst erzählte, dass du den Anschlag in Alexandria überlebt hattest? Du bist in größter Gefahr, Sandra! Ich bin sicher, dass Vitelleschi erneut versuchen wird, dich zu ermorden!« Er zögerte einen Augenblick. »Brauchst du eine Leibwache? Ich habe einige Bravi ...«
»Nein, Prospero, ich stehe unter dem Schutz des Papstes.«
Mein Cousin wollte etwas erwidern, besann sich dann jedoch anders. Meine Versöhnung mit Eugenius war für den aus Rom verbannten
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