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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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nach Venedig abreiste, um in den Dachkammern des Dogenpalastes eine andere verschollene Bibliothek zu suchen, oder nach Montecassino oder Rom! Doch diesmal hatten meine Argumente den bitteren Beigeschmack einer Rechtfertigung meiner vermutlich monatelangen Abwesenheit aus Florenz. Ich konnte nicht bleiben! Ich durfte es nicht!
    »Ich halte die Geschichte vom Brand der Bibliothek für eine infame politische Intrige«, hatte Cosimo erwidert.
    Wie mein Vater Luca d’Ascoli, der ›Fürst der Buchhändler‹ wollte Cosimo de' Medici Florenz zur geistigen Erbin von Alexandria als bedeutendster Stadt der Gelehrsamkeit machen. Luca handelte mit Büchern, die wir in Klöstern und Bibliotheken entdeckt und kopiert hatten und deren Abschriften er an Gelehrte in aller Welt verkaufte. Cosimo sammelte mit aller Leidenschaft Bücher und gab jedes Jahr ein Vermögen aus, um neue Manuskripte zu erhalten.
    »Senecas Behauptung, durch den Brand wären vierzigtausend Schriftrollen vernichtet worden, bezieht sich nicht auf die königliche Bibliothek. Und die von den Kirchenvätern überlieferte Zerstörung im Jahr 391 durch fanatische Christen war nicht vollständig gewesen. Ein muslimischer Historiker berichtet, die arabischen Eroberer hätten im Jahr 640 die Bücher verbrannt, weil der Kalif befohlen hatte, alle Werke zu vernichten, die dem Koran widersprachen. Doch ich bezweifle, dass alle Bücher zerstört wurden.«
    »Du glaubst also, dass ein Teil der Werke der Bibliothek von Alexandria noch existiert?«
    »Wenn nicht die Originale, dann Abschriften. Wenn nicht in griechischer Sprache, dann als arabische Übersetzung.«
    Und ich ahnte, wo sich die Bücher befanden.
    Vor drei Jahren hatte mein Vater versucht, diesen geheimnisumwitterten Ort im Herzen der Wüste zu erreichen, und war gescheitert. Tayeb, der muslimische Gelehrte aus Agadez, hatte ihm das Leben gerettet und ihn zurück nach Florenz begleitet. Seit Lucas Rückkehr lebte er in unserem Haus an der Piazza del Duomo.
    Eines Tages würde ich diese gefährliche Reise wagen, um die verlorenen Schätze zu suchen. Aber auch eine lange Reise bis ans Ende der Welt beginnt mit einem ersten Schritt. In Alexandria. In den Ruinen des antiken jüdischen Viertels, des Zentrums der rabbinischen Gelehrsamkeit.
    »Du bist also entschlossen, nach Ägypten zu reisen?«, hatte Cosimo leise gefragt. Ich hatte genickt.
    »Wann?«
    »Morgen früh«, hatte ich gestanden. »Ich werde Florenz im Morgengrauen verlassen und von Pisa nach Alexandria segeln.«
    Er war enttäuscht gewesen, das hatte ich ihm angesehen.
    »Catissima, ich hatte gehofft, wir würden an Weihnachten gemeinsam nach Ferrara reiten. Nur du und ich - dein Vater weigert sich ja, während des Konzils Ferrara zu besuchen. Du könntest in der Bibliothek der Universität ein wenig Staub aufwirbeln, während ich mit dem Papst und dem Kaiser über die Verlegung des Konzils nach Florenz verhan...«
    »Nein, Cosimo.« Ich hatte mit meinen Gefühlen gerungen, mit Scham und Schuld und tiefer Traurigkeit. »Es ist besser, wenn wir uns einige Wochen lang nicht sehen. Ich muss in Ruhe nachdenken.«
    »Weiß Luca, wo du letzte Nacht warst?«
    Ich hatte den Kopf geschüttelt. »Nein, Cosimo. Aber du kennst den Inquisitor. Ich kann seine Fragen nicht beantworten. Und ich will sein entsetztes Gesicht nicht sehen, wenn er die Wahrheit erfährt. Ich will mich nicht vor Luca rechtfertigen, und ich will auch nicht, dass du es tust. Deshalb werde ich morgen früh abreisen.«
    Mit Tränen in den Augen hatte ich »Leb wohl!« geflüstert. Dann war ich aus seinem Arbeitszimmer geflohen.

    Ich folgte Tayeb in Richtung des Maryut-Sees, der zwischen den Dünen im Sternenlicht schimmerte.
    Wie unscheinbar, wie bedeutungslos Al-Iskanderiya im Vergleich zum alten Alexandria war! Die von den Arabern errichteten Stadtmauern schützten nicht einmal die Hälfte der antiken Metropolis. Weite Ruinenfelder umgaben die Stadt. Was war von der Weltstadt des Altertums geblieben? Einstürzende Ruinen. Ein Raub der Wellen und des Windes.
    Die aus dem Sand ragenden Säulen und Mauern erinnerten mich ein wenig an das Forum Romanum. Und doch, so dachte ich, als ich eine Düne hinunterglitt, war dieses Ruinenfeld anders als das Forum: Die umgefallenen Säulen und zerbrochenen Gewölbebögen lagen alle in einer Richtung. Sie waren nach Süden gekippt, als hätte eine gewaltige Flutwelle vom Meer sie erfasst und mit sich gerissen.
    Stolpernd kämpfte ich mich den weggleitenden

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