Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
erneut. Dann wandte sie sich um und kehrte zurück zu ihrem Platz hinter dem Katafalk ihres Vaters.
Als der Trauerzug sich erneut in Bewegung setzte, um zum Domplatz und von dort die Via Larga hinauf nach San Marco zu gelangen, reihten sich die Kardinäle und Erzbischöfe ein, die mit Luca befreundet gewesen waren: Giuliano Cesarini, Ambrogio Traversari, Niccolò Albergati, Ludovico Scarampo und etliche andere. Der Pontifex und sein Gefolge blieben in der Klosterresidenz.
In der schwarz verhangenen Dominikanerkirche San Marco sollte Luca auf einem Katafalk aufgebahrt werden, damit nach Fra Antoninos Messe und meiner Rede die Trauernden an ihm vorüberziehen konnten, um sich von ihm zu verabschieden. Die feierliche Grablege sollte dann um Mitternacht in aller Stille im engsten Freundeskreis erfolgen. Ich hatte mich gefreut, als Cosimo mich, offenbar auf Alessandras Wunsch, an diesem Morgen dazu eingeladen hatte.
Die Via Larga bot einen prächtigen Anblick. Die Triumphbögen, anlässlich des Einzugs Seiner Heiligkeit vor zwei Tagen errichtet, waren nicht abgerissen, sondern mit schwarzen und roten Trauerbändern umwoben worden. Dicht gedrängt standen die Menschen an den Straßenrändern und beobachteten stumm den Trauerzug nach San Marco.
Da war Caedmon of Canterbury! Als er mich erkannte, verneigte er sich vor mir. Eugenius hatte mir gestern während des Abendessens berichtet, dass Alessandra den Prior von Montecassino zu diesem rätselhaften Mönch befragt hatte.
Was wollte Bruder Caedmon bloß von mir?
Noch während ich über diese Frage nachsann, sah ich ihn.
Der weiße Mönch!
Ich erschrak. Meine Knie begannen zu zittern, und ich hielt mich an Fra Antoninos Arm fest, um nicht zu stürzen.
»Euer Seligkeit, was ist denn?«, fragte der Prior besorgt und stützte mich. »Ein neuer Schwächeanfall?«
Stumm schüttelte ich den Kopf und ließ den Dominikaner nicht aus den Augen. Mit verhülltem Gesicht huschte er zwischen den Trauernden am Straßenrand hindurch, um nur wenige Schritte entfernt dem Karren mit Lucas Leichnam zu folgen. Was hatte er vor?
Als Alessandra mich vorgestern in San Marco besuchte, hatte sie mir erzählt, dass Luca von einem Dominikaner ermordet worden sei.
Allmächtiger Gott! War dieser Mönch Lucas Todesengel?
Und was hielt er da in der rechten Hand? Ein Seidentuch! Doch was verbarg er darin - einen Dolch?
Wollte er Alessandra ermorden?
Plötzlich durchbrach der Frater die Reihen am Rand der Via Larga und eilte über die Straße zu Alessandra, die abrupt stehen blieb und ihn anstarrte.
Zu Tode erschrocken schlug sie sich die Hand vor die bebenden Lippen.
Ungestüm drängte sich der Mönch gegen sie und legte den Arm um ihre zitternden Schultern, als ob er, der barmherzige und sanftmütige Priester, sie in ihrer überwältigenden Trauer um ihren Vater trösten wolle, und dann ...
Kapitel 15
Dann lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter, nahm das dargebotene Tränentüchlein und verbarg mein Erschrecken über sein Erscheinen hinter der zerknüllten Seide.
»Was, zum Teufel, machst du hier?«, wisperte ich so leise, dass Fra Antonino und Niketas, die nur wenige Schritte hinter uns gingen, mich nicht verstehen konnten.
Ich hatte furchtbare Angst - um ihn! Was, wenn Cesarini ihn erkannte? Was, wenn Scarampo dem Papst berichtete, dass mein Cousin in Florenz war?
Großer Gott, nur das nicht!
»Als ich von Lucas Ermordung erfuhr, habe ich um dein Leben gebangt«, flüsterte er hastig und tat so, als tröste er mich. »Zwei Tage lang habe ich versucht, in deinen Palazzo zu ...«
»Du lieber Himmel!«, stöhnte ich. »Du warst der Mönch, der mein Haus beobachtet hat? Du hast mich zu Tode erschreckt! Luca ist von einem Dominikaner ermordet worden.«
»Sandra, mein Liebes, das tut mir so leid!«
Als ich nicht antwortete, zog er sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. »Ich musste kommen! Weder von deinem Vater noch von dir habe ich eine Antwort auf meine Nachricht erhalten. Und dann ist Luca nicht zum vorgeschlagenen Treffpunkt gekommen. Stattdessen lauerten mir schwer bewaffnete Assassini auf.«
»Luca hat deinen Brief in der Mordnacht gelesen. Ich hatte schon vermutet, dass sein Mörder deine Nachricht gefunden und mitgenommen hat. Und dass du in großer Gefahr bist. Aber wie hätte ich dich denn warnen sollen? Ich wusste doch nicht, wo du dich mit Luca treffen wolltest.«
»Dann hat also Lucas Mörder die Assassini auf mich angesetzt! Er weiß, dass ich mich mit deinem Vater
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