Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
um die Ecke bogen, hörte ich schon von weitem den ausgelassenen Lärm auf der hell erleuchteten Piazza della Signoria. Dort tobte der Karneval mit einem Freudenfeuer, mit lauter Musik und trunkenem Gegröle. Die Florentiner feierten ausgelassen, bevor am nächsten Tag, dem Aschermittwoch, die vorösterliche Fastenzeit beginnen sollte.
Wir wandten uns nach rechts, in Richtung Santa Croce.
Einige Schritte entfernt prügelten sich fünf, sechs, sieben Männer. Drei von ihnen trugen die Farben der Medici, die anderen schienen Albizzi-Anhänger zu sein. Pflastersteine flogen. Dolche blitzten im Licht der Fackeln an den Hausfassaden. Ein Schmerzensschrei - ein Mann stürzte verletzt zu Boden. Sein Kopf war blutüberströmt. Ein Stein hatte ihn ins Gesicht getroffen. Einer seiner Gegner trat hasserfüllt auf ihn ein, während ihn seine Freunde anfeuerten: »Mach ihn fertig, Cecco! Ja, tritt nur ordentlich zu! Dieser verfluchte Medici! Zur Hölle mit dieser gierigen Rattenbrut!«
Der erbitterte Machtkampf zwischen Rinaldo degli Albizzi, der ins Exil nach Mailand geflohen war, und Cosimo de' Medici war augenscheinlich noch lange nicht beendet.
»Kyrie, wollt Ihr nicht lieber in den Palast zurückkehren?«, fragte einer meiner Leibwächter mit besorgtem Blick auf die Kämpfenden. »Der Weg zum Domplatz ist weit. Und gefährlich.«
Ich schüttelte den Kopf und wandte mich um.
Zwei Betrunkene torkelten uns Arm in Arm von der Piazza della Signoria entgegen, stolperten auf den unebenen Pflastersteinen des Borgo, rempelten einen meiner Leibwächter an und verschütteten den Rotwein aus ihren Zinnbechern über seinen Wappenrock mit dem kaiserlichen Doppeladler. Zornig wollte er auf die beiden losgehen, doch ich hielt ihn an der Schulter fest und zog ihn zurück.
Einer der Betrunkenen schwankte und musste sich an der Hauswand festhalten, um nicht zu stürzen. Mit dem ausgestreckten Arm versperrte er mir den Weg und hielt mir den Weinbecher vor das Gesicht. »Komm, Mönchlein, trink mit mir!«, lallte er, und sein Atem wehte mir ins Gesicht. »Lass uns auf den Papst anstoßen, der die verdammten griechischen Sch-Schismatiker in die Knie zwingt, damit sie ihrer gotteslästerlichen Hä-Häresie abschwören ... und auf den Medici, der das Kon-Konzil nach Florenz geholt hat. Das war genial! Zur Hölle mit diesen verfluchten byzantinischen Ketzern!«
Er wollte mir den Arm um die Schultern legen, um mich zum Trinken zu bewegen, doch meine Leibwache stieß ihn so grob zur Seite, dass er in die Gosse fiel.
Ein Glück, dass die beiden »byzantinischen Ketzen kein Wort Italienisch verstanden!
»He, was soll'n das!«, protestierte der Mann, als er sich unbeholfen wieder aufrappelte.
Sein Zechkumpan zog seinen Dolch und stürzte sich auf meine Begleiter, die ihn mit Gewalt gegen eine Hauswand drängten und entwaffneten. Der Mann schrie vor Schmerz.
Sein Gebrüll erregte die Aufmerksamkeit der Männer, die sich einige Schritte entfernt prügelten. Sie hielten inne und blickten feindselig zu uns herüber. Mit erhobenen Pflastersteinen und blitzenden Dolchen kamen sie drohend näher. Einer der schwer verletzten Medici-Anhänger nutzte die Ablenkung zur überstürzten Flucht.
War diese unbeherrschbare Gewalt in den nächtlichen Straßen der Grund, warum Demetrios mich außerhalb des Palazzo Peruzzi treffen wollte? Wartete einer seiner Attentäter in einer finsteren Gasse auf mich?
Beunruhigt zerknitterte ich seine Nachricht, die mir mein Sekretär während des Abendessens mit den Bischöfen in die Hand gedrückt hatte, in der Tasche meines Habits: ›Bitte komm. Wir müssen reden.‹
Ich konnte mir denken, was er mir zu sagen hatte.
»Wir sollten so schnell wie möglich verschwinden«, mahnte einer meiner Leibwächter besorgt. »Bitte, Kyrie, lasst uns in den Palast zurückkeh...«
»Wir gehen zum Domplatz«, beharrte ich.
»Wie Ihr befehlt, Kyrie!«
Wir eilten in Richtung der hell erleuchteten Piazza della Signoria. In der Mitte des Platzes tanzten die Menschen ausgelassen um ein riesiges Feuer. Die meisten waren sturzbetrunken und trotz der winterlichen Kälte nur leicht bekleidet. Über die Pflastersteine verstreut lagen Jacken, Hosen und Schuhe.
Direkt vor mir, mitten auf der Straße vor dem Palazzo della Signoria, kniete eine junge Frau mit nackten Brüsten und reckte einem Mönch ihr entblößtes Hinterteil entgegen. Er umfasste ihre Hüften mit beiden Händen, zog sie zu sich heran, raffte seinen weiten Habit über ihren
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