Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
worden, das Symbol der engen Beziehung himmlischer und irdischer Herrschaft.
Wie in Konstantinopolis thronte der Basileus auf einem goldenen, mit Purpurseide bezogenen Sessel. Gemäß dem byzantinischen Hofzeremoniell empfing er die Würdenträger reglos und schweigend, nachdem der Zeremonienmeister sie aufgefordert hatte, vorzutreten und niederzuknien. Niemals richtete der Basileus das Wort direkt an einen Sterblichen. Ein Würdenträger wiederholte seine gemurmelten Worte mit lauter Stimme. Schlug der Basileus das Kreuz, war die Audienz beendet. Mit einer tiefen Verneigung erhoben sich die Knienden und zogen sich, die Hände demütig über der Brust gekreuzt, rückwärts schreitend zurück.
Alessandra zeigte sich tief beeindruckt, als ihr die Ehre zuteil wurde, dem Basileus vorgestellt zu werden. Während er mit ihr sprach, blickte Ioannis immer wieder zu Sophia hinüber, die für ihn unerreichbar am anderen Ende des Saals stand. Er sehnte sich nach ihrem Lächeln, ihrer zärtlichen Liebe und der Geborgenheit, die sie ihm schenkte. Seine Hoffnung auf ein Kind war nun dahin.
Nach dem Empfang und dem Bankett gab ich Selim das verabredete Zeichen und zog mich allein in meine Gemächer zurück, um auf ihn zu warten.
Alessandra blickte mir traurig nach. Während des ganzen Abends hatte sie versucht, mit mir zu reden, war jedoch von meinem Sekretär Leandros immer wieder abgewiesen worden.
Lange sprach ich vertraulich mit Selim über den Mordanschlag des Türken. Der Prinz versicherte mir, wie leid es ihm tue. Und er beteuerte, dass er, obwohl er Demetrios' Freund war und mein Bruder mich hasste, nichts mit dem Attentat zu tun habe. Wie ich vermutete er, dass sein Cousin Murad mir nach dem Leben trachtete.
»Dass die Macht des Sultans bis nach Florenz reicht, erschreckt mich zutiefst«, gestand er mit gesenktem Blick. Selim, dessen Vater vor seinen Augen ermordet worden war, fürchtete um sein Leben! Er zögerte einen Augenblick. »Demetrios und ich haben uns zerstritten«, vertraute er mir schließlich an. »Seine Reaktion auf das Attentat des Türken hat mich zornig gemacht. Er hasst dich, Niketas! Nach deiner vertraulichen Unterredung mit dem Papst scheint die Vereinigung der Kirchen in greifbarer Nähe. Wie Murad versucht Demetrios, die Union und damit einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich zu verhindern. Dein Bruder hofft, dass ihm der Sultan aus Dankbarkeit für seine Unterstützung die Stufen zum Purpurthron hinaufhelfen wird.
Ich fürchte, dass Demetrios den Basileus wegen seines angeblichen Verrats am orthodoxen Glauben noch während des Konzils stürzen will. Seit jenem Abend in Ferrara hat er etliche Metropoliten auf seine Seite gezogen, die gegen die Unterwerfung unter die römische Häresie stimmen - allen voran Markos Eugenikos von Ephesos.«
»Demetrios kann den Kaiser nicht entmachten, solange Konstantin während Ioannis' Aufenthalt in Italien als Regent herrscht. Theodor und Thomas werden nicht zulassen, dass Demetrios die Macht an sich reißt - als Kaiser von Murads Gnaden! Und ich werde das ebenso wenig dulden. Sollte Demetrios es wagen, Ioannis zu stürzen, werde ich ihn exkommunizieren.«
Selim schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Niketas, nein! Der beste Zeitpunkt für einen Sturz des Kaisers ist jetzt! Die Kirchenunion ist noch nicht geschlossen, und viele der Metropoliten stehen auf seiner Seite. Nicht nur in Athen, sondern auch in Konstantinopolis droht ein Aufstand der Gläubigen. Ioannis ist nicht in Byzanz, um als Kirchenoberhaupt für Ruhe zu sorgen. Joseph ist todkrank und wird bald sterben. Du wirst ihm als Patriarch nachfolgen!«
Ich winkte ab.
»Demetrios muss handeln!«, mahnte Selim. »Und er wird handeln!«
»Indem du dich mir anvertraust, verrätst du ihn.«
Er nickte stumm.
»Warum tust du das, Selim?«
»Weil ich leben will, Niketas, nicht sterben. Ich kenne meinen Cousin besser als Demetrios. Ich weiß, wozu Murad fähig ist. Wer je seinen sterbenden Vater im Arm hielt, wer die verstümmelten Leichen der Opfer jenes furchtbaren Massakers um sich herum gesehen hat - Brüder, Cousins, Freunde und Gefolgsleute -, wer selbst nur mit knapper Not immer wieder dem Tod entkommen ist, der sinnt auf blutige Rache. Er oder ich! Nur einer von uns wird überleben - der andere wird als Sultan herrschen.«
»Du willst nach Adrianopolis zurückkehren«, vermutete ich.
Er nickte. »Nach der Kirchenunion und meiner Rückkehr nach Mistra werde ich mit meinen Gefolgsleuten
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