Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
wegen der vielen Freudenfeuer auf dem Domplatz um ihre kostbare Bibliothek fürchtete.
In diesem Augenblick wurde das Tor geöffnet. Ein Mann in schwarzem Habit verließ den Palazzo, blickte sich kurz um und drängte sich dann in Richtung Campanile durch die tanzende und singende Menge.
Im Schein der Feuer vor der Kathedrale sah ich sein blondes Haar, das wie ein goldener Heiligenschein sein Gesicht umgab.
Caedmon! Wohin wollte er?
Ich beobachtete ihn, bis ich ihn unterhalb des Campaniles aus den Augen verlor. Dann eilte ich zu den Fenstern an der gegenüberliegenden Seite und hielt nach ihm Ausschau.
Dort war er! Er stand unter mir an der Ecke der Loggia del Bigallo, zog sich die Kapuze über den Kopf und blickte hinüber zum Palast des Erzbischofs. Wartete er auf jemanden?
Ein zerlumpter Bettler trat aus den Schatten der Loggia und legte Caedmon, der sich überrascht zu ihm umdrehte, die Hand auf die Schulter. Piero? Die beiden steckten die Köpfe zusammen und redeten kurz miteinander. Caedmon deutete über seine Schulter zum Palazzo d'Ascoli hinüber. Piero nickte, verabschiedete sich von Caedmon und machte sich auf den Weg zu Alessandra. Ich sah ihm nach, bis ich ihn aus den Augen verlor. Dann suchte ich den jungen Benediktiner in der Menge vor der Loggia, doch er war spurlos verschwunden.
Rätselhafter Caedmon!
Und wieder fragte ich mich: Hatte Alessandra Recht mit ihren furchtbaren Vermutungen?
Ich wandte mich ab. Mit der Fackel in der Hand stieg ich die Treppen hinauf zur nächsten Plattform.
Mit angezogenen Beinen hockte Demetrios auf den Stufen zu einem der Fenster und blickte durch die Rosette der Steinbrüstung hinab auf das wilde Treiben auf der Piazza. Er wies auf die Stufe, auf der er selbst saß. »Setz dich.«
Ich steckte meine Fackel in eine Wandhalterung, stieg die Stufen zur schmalen Fensternische hinauf, ließ mich neben ihm nieder und lehnte mich gegen die Wand. »Was willst du?«
»Mit dir reden. Hier kann uns niemand hören.« Er warf einen Blick in die Tiefe unter uns. »Hat Selim dich begleitet?«
»Nein.«
Seine Augen funkelten im Fackelschein. »Was hattet ihr gestern Nacht zu besprechen?«
»Ich weiß nicht, was du ...«
»Er hat kurz nach dir den Bankettsaal verlassen und ist dir in deine Gemächer gefolgt. Ich bin euch nachgegangen. Ihr habt länger als eine Stunde miteinander geredet. Worüber?«
»Frag deinen Freund.«
»Ist er das noch - mein Freund? Kann ich ihm noch vertrauen, wenn er hinter meinem Rücken gegen mich intrigiert? Sag du es mir: Worüber hast du mit Selim gesprochen?«
»Über das Attentat auf mich. Selim vermutet, dass sein Cousin mich ermorden will, um die Kirchenunion zu verhindern.«
Demetrios nickte langsam. »Und was glaubst du?«
»Dass Sultan Murad nicht der Einzige ist, der mich hasst.«
Meinem Blick hielt er stand. »Das ist wahr. Selbst dein Freund Basilios hasst dich. Weshalb habt ihr euch zerstritten, Niketas? Kann er dir nicht vergeben, dass du deine Gelübde gebrochen und Alessandra in dein Bett geholt hast?«
Ich lehnte meinen Kopf gegen die kalten Steinquader der Fensternische. »Nein, das kann er mir nicht verzeihen.«
»Weiß Ioannis von deiner Affäre?«
»Es ist keine Affäre.«
»Was dann?«
»Wir lieben uns. Wir sind glücklich miteinander. Und wir sehnen uns danach, uns vor aller Welt zu unserer Liebe zu bekennen.«
Er nickte langsam. »Wenn du kein geweihter Bischof wärst - würdest du sie heiraten?«
»Ja, das würde ich. Vor Gott sind wir Mann und Frau.«
»Ist sie schwanger?«, setzte er sein Verhör fort. »Ich weiß nicht, was dich das angeht!«
»Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn deine Geliebte den Erben des Byzantinischen Reiches unter dem Herzen trägt.«
»Lass sie in Ruhe!«
»Stell dir vor, Alessandra schenkt dir einen Sohn! Ioannis weiß, dass er keinen Erben zeugen kann, und ist darüber so verzweifelt, dass er vor unserer Abreise Maria in dein Bett geschickt hat. Konstantins Nachricht von ihrem unheilbaren Leiden hat ihn tief getroffen. Nur Gott weiß, wie lange seine Basilissa noch zu leben hat. Nach drei gescheiterten Ehen und einer fruchtlosen Affäre mit Sophia ist unser Bruder verzweifelt genug, dein Kind zu adoptieren und zu seinem Erben zu machen!
Alessandra ist eine Colonna - wenn sie ihren Großvater beerbt hätte, wäre sie heute eine Contessa und würde ein Fürstentum im Patrimonium Petri regieren, das größer ist als das Reich, das Ioannis als Kaiser beherrscht. Sie ist eine
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