Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
Verwandte des letzten Papstes, die Cousine eines römischen Kardinals und eine Cousine von Theodors Gemahlin Cleope. Im Grunde gehört sie ja bereits zu unserer Familie!« Er verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. »Ich meine - wenn man es so betrachtet wie mein Vater, der sogar einen verlausten Gassenjungen aus dem Judenviertel in die kaiserliche Familie aufnahm und diesen getauften Juden seinen eigenen Söhnen vorzog!«
Als ich auf seine Beleidigungen nicht reagierte, fragte er: »Wird Alessandra sich zum orthodoxen Glauben bekennen, wenn die Kirchenunion scheitert?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wirst du konvertieren?«
»Sollte ich meine Unterschrift auf dem Unionsdekret unter die des Papstes setzen, werde ich ein Priester der römischen Kirche sein.«
»Eugenius wird dich zum Kardinal ernennen.«
»Das ist denkbar.«
»Falls er dir den Purpur anbietet - würdest du ihn annehmen?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Lass mich die Frage anders formulieren! Wenn du die Wahl hättest, Kardinal in Rom oder Patriarch in Konstantinopolis zu sein - wofür würdest du dich entscheiden?«
»Ich würde mich für Alessandra entscheiden.«
»Wärst du bereit, alles für sie aufzugeben?«
»Ja, alles.«
Nachdenklich nickte er. »Wie sehr musst du sie lieben!«
»So wie du deine Frau geliebt hast.«
Er wandte sich ab und kniff die Lippen zusammen. Am Tag unserer Ankunft in Venedig hatte Demetrios vom Tod seiner Gemahlin erfahren und war nach dem Empfang durch den Dogen zusammengebrochen.
Ich blickte hinunter auf die Piazza, um ihm Zeit zu lassen, seine Gefühle zu ordnen.
Da sah ich ihn: Caedmon stand im Toreingang des erzbischöflichen Palastes und sprach wild gestikulierend mit einem Mönch. Stritten die beiden? Wer war der Dominikaner, der sein Gesicht mit der schwarzen Kapuze verhüllt hatte? Wer hatte ihn geschickt? Giovanni Vitelleschi?
Als Caedmon sich zornig abwandte, hielt ihn der andere am Ärmel fest und riss ihn zurück. Der junge Benediktiner hob die Hand und schlug zu. Der Dominikaner taumelte gegen das Portal des Palastes. Caedmon drehte sich abrupt um, warf sich in die tanzende Menge und drängte mit Gewalt vorwärts. Der geheimnisvolle Mönch folgte ihm, zwei, drei, vier Schritte hinter ihm, bis er Caedmon im dichten Gedränge aus den Augen verlor.
Hat Vitelleschi den Dominikaner geschickt?, überlegte ich. Wenn Alessandra Recht hat mit ihrer Vermutung, dass Caedmon der Mönch ist, der ihren Vater ermordet hat und der nun ihr nach dem Leben trachtet, dann handelt er in Vitelleschis Auftrag. Warum hat Caedmon Alessandra nicht ermordet? Wieso hat er sich nicht gegen sie gewehrt, als sie ihn über die Dächer verfolgte? Wozu hat er ihr in jener Nacht auf der Domkuppel das Leben gerettet, als er den Bremshebel des Krans umlegte, bevor sie in den Tod stürzte?
Weil er sie noch nicht töten kann. Caedmon sucht das Evangelium. Er durchwühlte die Bibliothek von San Marco und erschlug Serafino, der ihn dabei überraschte. Dann vermutete er, dass Natanael das Evangelium in der Genisa der Synagoge verstecken sollte, und ermordete auch ihn.
Vitelleschi hat den Dominikaner nach Florenz gesandt, um Caedmon aufzufordern, endlich zu handeln - das Evangelium zu finden und Alessandra zu ermorden.
Und wieder fragte ich mich, was Alessandra gemeint hatte, als sie dem Papst verriet, Caedmon sei ihre schärfste Waffe gegen Vitelleschi. Was hatte sie vor?
»Niketas!« Demetrios legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich habe dir eine Frage gestellt!«
Ich wandte mich zu ihm um. »Entschuldige! Ich war in Gedanken.«
Er sah mir in die Augen. »Was, glaubst du, wird geschehen, wenn deine Affäre mit Alessandra offenbar wird?«, drohte er mir ganz unverhohlen. »Wenn der Papst erfährt, dass du deine heiligen Gelübde gebrochen hast? Wenn Ioannis erkennt, dass du für Eugenius kein glaubwürdiger Verhandlungspartner mehr bist? Wenn die Kirchenunion scheitert und dein schändlicher Verrat am orthodoxen Glauben völlig sinnlos war?« Er erhob sich, nahm die Fackel und ging zur Treppe hinüber. Dort wandte er sich zu mir um und spie verächtlich auf den Boden. »Du verfluchter Judas!«
Am Morgen des Aschermittwochs begleitete ich den Patriarchen Joseph mit seinem Gefolge, als er Alessandras Bibliothek besichtigen wollte. Doch Seine Allheiligkeit fand sich vor verschlossenem Tor.
Scipione Sassetti, der Prior der Arte dei Medici e Speziali, der eisern darauf beharrte, dass eine Frau kein
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